Spätestens am Montag hatte die Bezeichnung ‘Secret-Gig’ für das kurzfristig anberaumte Kölner Club-Konzert von Coldplay in der letzten Woche seine Existenzberechtigung verloren. Die nur 350 im regulären Vorverkauf zur Verfügung stehenden Karten sorgten für einen gehörigen Menschenauflauf und ein mittleres Verkehrschaos am Veranstaltungsort Gloria-Theater in der Kölner Innenstadt – die heiß begehrten Tickets waren innerhalb einer halben Stunde ausverkauft.
Die einmalige Gelegenheit, die vier Briten um Sänger Chris Martin in vergleichsweise intimer Atmosphäre zu erleben, wollte sich wohl keiner nehmen lassen. Schließlich ist die Band seit dem letzten Album ‘A Rush Of Blood To The Head’ zu den neuen U2 mutiert. 17 Millionen (!) weltweit verkaufte Alben und eine beinahe ausverkaufte Stadion-Tour im Sommer sprechen eine deutliche Sprache. Nach 18 Monaten Arbeit am neuen Album ‘X&Y’, das am 6. Juni erscheint, wollen Coldplay nun endlich wieder mit ihrer Musik Schlagzeilen machen, statt mit Chris Martins Hochzeit mit Gwyneth Paltrow, die die Band zuletzt vor allem in die Schlagzeilen der Boulevardpresse brachte.
Um Punkt 21.00 Uhr treten Chris Martin, Jonny Buckland, Will Champion und Guy Berryman auf die Bühne des Gloria-Theaters, in dem durch Verlosungsgewinner, Journalisten und geladene Gäste ein auf insgesamt 800 Leute angewachsenes Publikum schon sehnsüchtig wartet. Bei den ersten Songs – ‘X&Y’-Opener ‘Square One’, ‘Politik’, ‘Speed Of Sound’ (erste Single vom neuen Album), ‘God Put A Smile Upon Your Face’ – merkt man der Band noch deutlich die Anspannung an. Gitarrist Jonny Buckland erzählt am nächsten Tag, dass “wir zurzeit erstmal selber die alten Songs neu lernen müssen und noch nicht wissen, wie die neuen ankommen”.
Dann jedoch spielen sie ihren ersten Trumpf aus. Coldplay können es sich mittlerweile erlauben, einen Jahrhundert-Hit wie ‘Yellow’ im vorderen Drittel des Sets zu platzieren, und mit den vertrauten Akkorden des Songs, der damals den Durchbruch brachte, bricht endgültig das Eis. ‘Yellow’ gerät zum erhabenen Moment, den Refrain singen selbstverständlich die 800 in der Halle. Danach ist zumindest der Frontmann aufgetaut und versucht sogleich seine – zugegeben etwas dürftigen – Deutsch-Kenntnisse an den Mann zu bringen. An Ansagen der Marke: “Wir sin Coldplay auf Great Britain”, sollte Martin jedenfalls noch etwas feilen, bevor es im Sommer auf die großen Bühnen geht.
Der ganz in schwarz gekleidete Sänger ist natürlich auch im Kölner Gloria der alle Aufmerksamkeit auf sich ziehende Leading-Guide auf der Bühne. Trotzdem wird, der deutlich spürbaren Anspannung seiner Mitmusiker zum Trotz, einmal mehr deutlich, dass Coldplay eine Band sind, in der jeder Schlagzeughieb, jeder Basston unverzichtbarer Bestandteil der gewaltigen Gesamtdynamik der Songs ist. Die geschickt eingestreuten neuen Nummern fügen sich gut in das Set ein, brauchen aber sicher noch etwas Zeit – die Reaktionen des Publikums sind höflich und etwas verhalten im Vergleich zum orgiastischen Jubel, der die alten Hits begleitet. Vor allem das sich hypnotisch steigernde ‘Clocks’ wird zu einem erhabenen Moment, ehe dann nach einer guten Stunde die erste Zugabe ‘In My Place’ den erwarteten Höhepunkt bildet. Vom neuen Album bleiben auf Anhieb ‘Speed Of Sound’ – ein beinahe sechs Minuten langer, klaviergetriebener ‘klassischer Coldplay’ und ‘Fix You’ hängen. Auch wenn das Werk auf Anhieb ein bisschen überproduziert klingt, wer ‘Rush Of Blood To The Head’ mochte, wird auch an diesem seine Freude haben. Zum Abschluss spielt die Band zwei weitere Songs von ‘X&Y’ – denn darum geht es hier schließlich – und dann ist nach knapp 90 Minuten Schluss. Was uns Coldplay im Interview erzählten, lest ihr dann in einigen Wochen an dieser Stelle.
Text: Torsten Groß
No Comment