Singende Schauspieler gibt es viele. Zu verführerisch ist die Versuchung, die Leinwand-Popularität als Marketing-Rakete für halbfertige musikalische Produkte zu nutzen und mal schnell für die Rente vorzusorgen. Bei der Berliner Band Spitting Off Tall Buildings ist das zum Glück anders. Die Band um Schauspielerin Jana Pallaske (bekannt aus Filmen wie “Alaska.de” und “Was nützt die Liebe in Gedanken”) hat sich erst in jahrelangen Touren den Hintern wund gespielt und bleibt sich lieber ihren Punk-Wurzeln treu.
Dabei ist Jana der Traum eines jeden Marketing-Strategen: Jung, wild, talentiert und als Ex-MTV-Moderatorin der Zielgruppe nicht ganz unbekannt. Trotzdem zogen Spitting Off Tall Buildings es vor, erst mal ihren eigene Bandsound zu entwickeln, bevor man sich den Spielregeln der Musikindustrie ausliefert . “Wir haben natürlich erst mal versucht, eine gute Band zu werden, bevor wir einen Plattenvertrag unterschreiben, weil andersrum macht’s ja keinen Sinn. Wir merken ja auch an dem Level, an dem wir jetzt sind, dass es gut war, erst mal 100 Gigs zu spielen und uns zu einer guten Band zu entwickeln. Ansonsten wäre das nach hinten losgegangen.”, kommentiert Paul, Gitarrist und Co-Sänger der Band, die Bemerkung nach dem Hype-Potenzial.
Für eine Band wie Spitting Off Tall Buildings, die sich eher dem Punk-Underground als den Radiocharts zugehörig fühlt, ist die Medienfixierung auf die Sängerin nicht ganz unproblematisch. Folgerichtig macht die Band bewusst keine Werbung mit der Bekanntheit ihrer Sängerin, und auch Jana spielt ihrer Popularität gerne runter: “So ein Star bin ich nun ja auch nicht, als dass jemand denken könnte, damit kann man richtig Geld verdienen. Und ich glaube, das haben wir auch von Anfang an klar gemacht. Am Anfang gab’s da auch ein oder zwei Leute die meinten: Wenn ihr deutsch sing, dann wäre das besser und so. Aber wir sind, was wir sind, und wir machen, was wir wollen”.
Das Selbstbewusstsein des Quintetts aus der Hauptstadt ist dann auch nicht zu überhören, und die Band hat klare Vorstellungen von ihrer Zukunft. Ihre soeben erschienene Debüt-Platte ist dann auch eine konsequente Kombination aus Old-School-Punk-Traditionen und radiotauglichem Nach-Vorne-Rock und dürfte Freunden punkrockender Gitarrenmusik á la Hives, Beatsteaks und Distillers wie warme Milch runtergehen. Die Platte ist vor allem ein sprühender Energiecocktail und vollgepackt mit extrem eingängigen Stücken, die mit eindeutigen Rock`n`Roll-Phrasen wie “Lets Go”, “Get It On” und “Come On!” eine klare Ansage machen: “Es passiert schon jede Menge passiert und wir machen das, was wir wollen, aber trotzdem – und so geht’s vielen Leuten – vermisst man trotzdem irgendwas. Noch mehr Action. Irgendetwas, das noch mehr kickt und darum geht’s auch auf der Platte”, erklärt Paul die nervöse Unruhe der Songs.
Auch wenn der kickende Energiegehalt der Platte nur ansatzweise die Live-Fähigkeiten der Band, die bei Konzerten förmlich explodiert, wiedergeben kann, ist für Paul diese direkte Intensität das wichtigste am Sound der Band: “Bei vielen Bands, die wir mögen oder mit denen wir groß geworden sind, gerade Punk-Bands, hatte man immer das Gefühl, dass die alles geben und für eine Stunde so Gas geben, dass die danach ins Sauerstoffzelt müssen. Dieses Gefühl, dass mit dem Publikum geteilt wird, versuchen wir auch herzustellen. Es ist schwierig, klappt nicht immer, aber das ist für uns Rock und so muss es eigentlich aussehen.”
Ebenfalls auffällig ist der gemeinsame Gesang von Jana und Paul, der den Songs ein gehöriges Maß Abwechslung und Dynamik gibt und die meist privaten Themen adäquat umsetzt. Und wenn man hört, wie die Sängerin bestimmte Textzeilen phrasiert und ausformuliert, wird dem Hörer schnell Janas schauspielerisches Talent bewusst. Die Sängerin wehrt sich jedoch gegen den Vorwurf beim Singen zu schauspielern: “Da ist überhaupt nichts Aufgesetztes oder Schauspielmäßiges. Es ist komplett so gefühlt, wie es gesungen ist. Wir sind ja auch privat zusammen und da ist nichts konstruiert. Bei der Musik muss ich mich nicht in irgendeine Rolle einleben, sondern das bin ich einfach.”
Neben den eindeutigen musikalischen Querverweisen sind es vor allem die längst vergessenen Punk-Tugenden wie Ehrlichkeit, innere Unruhe und Intensität, aus denen sich die Musik der Spitting Off Tall Buildings speist. Und das ist in Zeiten von designter Massenware nicht das Schlechteste und dürfte über den Hype hinaus Bestand haben.
Text: Matthias Legde
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