Die norwegische Band JR Ewing, einst Geheimtipp in Hardcore-Kreisen, wird mit ihrem dritten Album zum Vorreiter der schrammelig-verqueren Post-Punk-Szene – mit deutlichen Bezügen zu Bands wie At The Drive-In, Blood Brothers, Pretty Girls Make Graves, und …And You Will Know Us By The Trail Of Dead.

Alles fing Ende der Neunziger in Oslo an: “Unser Sänger Andreas (Tylden) und ich sind zusammen aufgewachsen”, erzählt Gitarrist Erland Mokkelbost, “und haben dann mit 18 Jahren JR Ewing gegründet. Das war so Anfang 1998. Wir waren damals stark von amerikanischen Hardcore-Bands beeinflusst, aber von den eher alternativen Untergrund-Bands.”

Es folgte die übliche Knochenarbeit einer aufstrebenden Band – Debüt-Album (‘Calling In Dead’), endlose Touren durch Europas kleine Punkrockschuppen. Beim zweiten Album ‘Ride Paranoia’ horchten dann schon viele auf. In Norwegen war man sogar für den ‘Spillemanspris’ (den norwegischen Grammy) nominiert, was aber zunächst keine echten Konsequenzen hatte: “Das war schon ein großer Erfolg, aber durch Norwegens geringe Größe doch eher lustig. Wir saßen bei der Verleihung herum und tranken Whisky und lachten darüber, dass wir bald darauf wieder zurück in der Realität sein würden und in dreckigen deutschen Klubs für Benzingeld spielen würden. Letztlich war das nicht so viel wert, aber wir konnten in der Folge eine für uns sehr spannende und größtenteils erfolgreiche Tour in den USA absolvieren.” Dennoch, die Band bewies damit (und dem Gewinn einiger anderer Preise) nicht nur ihren Familien ihren Wert, sondern auch andernorts.

Für ‘Maelstrom’, ihren dritten Langspieler, konnte man diverse große Plattenlabels interessieren. Für Deutschland erhielt ‘Motor’ den Zuschlag. “Mit 17, 18 war ich ja selbst mal ein kleiner Punkrock-Faschist, der anderen Bands Ausverkauf vorwarf. Aber man muss das ganz klar sehen: wir sind sehr stolz auf unsere Musik und besonders auf diese Platte. Wir wollen dass man die Scheibe überall bekommen kann, und das ist bei einem kleineren Label einfach nicht drin.”

Auch sonst ist ‘Maelstrom’ sehr anders als seine beiden Vorgänger. “Wir sind eine Band, die immer an ihre Grenzen geht, sowohl musikalisch als auch textlich. Auf dem Vorgänger war das erste Lied ‘Repetition Is Failure’. Diesmal eröffnen wir mit ‘Change Is Nothing (Everything Is)’, was bedeutet, dass man nicht nur um der Veränderung willen etwas Neues machen sollte, sondern sich auch etwas dabei denken muss. Viele Bands sind so von ihrem eigenen Ding ausgefüllt, dass sie wenig Interesse daran haben, Neues auszuprobieren und Neues zu denken. Wir sind sehr gegen Konformität in der Musik. Viele Leute legen so viel Wert auf Regeln und Etiketten, etwas, was nie etwas in der Musik zu suchen hatte. Alle meine Lieblingsbands, mit Ausnahme von Iron Maiden, haben sich großen Stilveränderungen unterworfen. Sie haben sich einfach entwickelt. Die anderen, die springen nur immer auf den Zug auf, machen das, was gerade angesagt ist.”

Er wollte nicht mehr nur schreien. Das funktionierte sehr gut


Tatsächlich ist der Schritt zwischen der zweiten und der aktuelle Platte so groß, dass man sich fragt, wie ihn die Jungs überhaupt geschafft haben. “Das Wichtigste war, dass wir praktisch drei Jahre ohne Unterlass auf Tour waren. Wenn man so verdammt viel zusammenspielt, ist man ein eingespieltes Team und verbessert sich auch einfach. Unser Schlagzeuger Kenneth Lamond war zum Beispiel schon immer gut, aber durch das konstante Üben auf der Bühne hat er sich unwahrscheinlich verbessert. Er ist ein richtiges Tier und kann inzwischen Sachen machen, bei denen wir anderen mit den Ohren schlackern. Gleichzeitig wurde auch Andreas immer besser, er begann, die alten Lieder immer mehr zu verbessern und auszufeilen. Und anders zu singen. Er wollte nicht mehr nur schreien. Das funktionierte sehr gut. Und so kam auch die neue Platte zustande. Wir können einfach mehr als vorher.”

Aber nicht nur musikalisch gehen JR Ewing auf ‘Maelstrom’ an die Grenzen – die Texte gleichen einer Fahrt mit Achterbahn und Geisterbahn zugleich. “Das Jahr 2004 war in vielerlei Hinsicht furchtbar für uns. Es gab eine Menge persönlicher Niederlagen für jeden einzelnen. Die neuen Lieder versuchen nur, das Ganze irgendwie einzuordnen, zu verarbeiten. Unser ehemaliger Bassist Aaron Kudra verstarb plötzlich, dass war einfach nicht zu verstehen. Wir haben alle schon Großeltern oder so verloren, aber bei einem so jungen Mann, der noch so lange zu leben gehabt hätte, ist das schon hart. Ich selbst bekam echte Panik. Davon abgesehen hatten einige von uns mit Beziehungsproblemen und anderem Mist zu kämpfen. Da war es eine Wohltat, zwölf Stunden im Studio zu sitzen und nur an Musik zu denken, sich mit nichts anderem zu beschäftigen.”

Für Erlend ist JR Ewing aber auch eine Art Kulturkampf gegen das seichte Geblubber der kommerziellen Massenmusik. “Es gibt sehr wenige Bands, die wie wir noch eine Mission haben. Für mich sind viele der heutigen Bands nicht in der Lage, über wichtige Themen zu reden. Musik muss ein großes Mysterium sein. Ich kann nicht verstehen, wie man Musik hören kann, die industriemäßig von einem Fünfzigjährigen Komponisten, ein paar Studiomusikern, einem großen Label und einer hübschen ‘Sängerin’ zusammengeschustert wird. Das hat keine Seele.” JR Ewing kann man das nun wirklich nicht vorwerfen.

Text: Hans Vortisch