Alle vier Jahre wird intensiver darüber nachgedacht, was Demokratie genau bedeutet. Welche Parteien schließt es ein, welche aus. Wer wird gesehen, wer überhört. Manch einer geht an diese Frage mit dem gleichen Desinteresse ran, wie an die, was Kunst ist.

Dabei ist die stetige Auseinandersetzung mit Begriffen wie Demokratie unersetzlich, um diese zu sichern und die Kunst bietet einen Weg, um sie kritisch und medienwirksam zu hinterfragen. Die Kunst kann so etwas wie Demokratiepflege ausüben, sei es im Gründen einer einmaligen Partei a la Christoph Schlingensief oder dem Singen über die Kunstfreiheit a la Danger Dan.

Ein Magazin für die Demokratie

Die Journalistin Linda Rottler und der Sozialunternehmer Shai Hoffmann haben das diesjährige Superwahljahr als Anlass genommen, um ein Printmagazin zur Stärkung der Demokratie zu gründen: DEMOS MAG. Für unseren Themenmonat haben wir Linda nach der Bedeutung von Kultur für die Auseinandersetzung mit Demokratie gefragt:

motor.de: Wie würdest du Demokratie für dich persönlich definieren? 

Linda Rottler: Demokratie ist ein wahnsinnig dehnbarer Begriff und es gibt viele unterschiedliche Meinungen wie weit man Demokratie tatsächlich dehnen darf. Demokratie ist derart kleinteilig in unserem Land vertreten, dass wir gar nicht mehr merken, wo sie überall stattfindet. Im Kindergarten, in Schulen bis hin zur Bundeskanzlerin. Das ist Demokratie für mich. Die Freiheit, mir nicht täglich Sorgen darüber machen zu müssen, dass ich und meine Rechte nicht gesehen werden. Eben weil sie geschieht, permanent. Mir ist aber auch bewusst, dass das aus der Sicht einer weißen privilegierten Frau gesprochen ist und es Menschen in Deutschland gibt, die sich in ihren Rechten nicht genug gestärkt fühlen. Aber sie haben die Möglichkeit jederzeit zu agieren. Auch das ist Demokratie.

motor.de: Ist für dich das Praktizieren von Kunstformen ansich bereits schon ein demokratischer Akt?

Linda Rottler: Ich denke da muss man ein bisschen unterscheiden, was die Kunstform ausdrücken möchte. Natürlich gibt es Kunst, die auf politische oder gesellschaftliche Situationen hinweist. Der Ausdruck dessen ist definitiv demokratisch, denn es soll entweder kritisieren, unterstützen oder generell Aufmerksamkeit generieren. Die Meinung ausdrücken zu dürfen – auch in Form von Kunst – gehört auch zur Demokratie. Ein*e Künstler*in, der*die beispielsweise einen Songtexten über Liebe schreibt, drückt in erster Linie vielleicht erst einmal die Beziehung zwischen Menschen aus. Da kommt vermutlich erst mal niemand darauf, das als demokratischen Akt zu sehen. Wenn man aber tiefer hinein geht, kann man aus dem Songtexten heraus möglicherweise erkennen, dass innerhalb der Beziehung demokratische oder eben auch nicht demokratische Muster ablaufen. Spannend…

motor.de: Inwieweit denkst du, formt die Kultur die Demokratie einer Gesellschaft?

Linda Rottler: Besonders in der Pandemie haben wir erlebt, was von einem demokratischen Land ohne Kultur übrig bleibt und das ist – seien wir ehrlich – ganz schön langweilig. Irgendwie funktionieren die Rahmenbedingungen größtenteils noch, aber all das, was es uns ermöglicht, uns zu entfalten (außerhalb des Berufs) entfällt. Ich denke, dass Kreativität hervorruft, dass demokratische Prozesse vielfältiger werden. Insofern formt Kultur definitiv Ideen in einer Demokratie. Gleichzeitig gibt es natürlich den geschichtlich kulturellen Faktor und dieser trägt unwiderruflich zur Demokratie einer Gesellschaft bei. Ich finde ein gutes Beispiel dafür ist der zweite Weltkrieg und der kalte Krieg. Kaum etwas prägt unsere Gesellschaft so sehr, denn wir haben immer noch nicht alles aufgearbeitet. Und das merkt man. Besonders weil die Kultur uns immer wieder darauf aufmerksam macht. Charmant mit Parodien, Glossen und Satire. Oder mit der „nackten“ Wahrheit mit kritischen, stark anprangernden Theaterstücken, Filmen, Musik und so weiter. 

motor.de: Denkst du Kultur hat in der Politik den Stellenwert, den sie in der Gesellschaft hat? 

Linda Rottler: Da muss ich leider auch wieder das Pandemie Beispiel hervorholen, denn da hat man ja sehr deutlich gesehen, dass Kultur in der Politik ziemlich schnell hinten unter fällt, wenn das System zu bröckeln droht. Insofern nein, ich denke nicht, dass sie den gleichen Stellenwert hat. Kultur wird in Deutschland glaube ich, als eine Art Luxusgut angesehen. Wenn’s gut läuft gerne – wenn nicht, dann gibt es eben Wichtigeres. Dass Kultur aber zur Meinungsbildung, Informationsdarstellung und Vielfalt beiträgt, wird oft nicht beachtet. 


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