Florian Gaag über seinen Graffiti-Film „Wholetrain“



Vier Jahre lang studierte Florian Gaag, gebürtiger Bayer und selbst jahrelang als Graffiti-Sprayer aktiv, Film an der Tisch School of the Arts in New York. Nach mehreren Kurz- und Dokumentarfilmen legt er mit „Wholetrain“ nun sein Spielfilmdebüt vor, für das er nicht nur als Regisseur, sondern auch als Autor und Komponist tätig war. Erzählt wird darin die Geschichte einer Sprayer-Clique, die endlich einen ganzen Zug, also einen Wholetrain besprühen möchte, aber dabei sowohl mit der Polizei als auch mit einer rivalisierenden Gang in Konflikt gerät. Wir trafen den jungen Filmemacher zum Interview.


Du hast selbst viele Jahre Graffitis gemalt. Wann und wie bist Du dazu gekommen?

Mein erster Kontakt überhaupt war Anfang der achtziger Jahre durch Fotos, die mein Vater aus New York mitbrachte und die mich damals schon faszinierten. Ich habe dann immer ein bisschen gemalt und auch irgendwelche Sprüche aufgeschrieben, aber mit „Wild Style“ kam das alles zusammen und hat plötzlich Sinn gemacht. Wie für viele europäische Maler war der HipHop-Film 1984 die erste Berührung mit Graffiti. Ich verehre ihn immer noch sehr, weil er mich zum Graffiti gebracht und viele einzigartige Momente in diesem Film zu finden sind, auch wenn er von der Geschichte doch sehr an diese Blaxploitation-Storys erinnert. Danach jedenfalls ging es für mich sehr verschärft los, und ich habe bis in die frühen 90er gemalt.

Es gibt Leute, für die ist Graffiti Old School und Schnee von gestern…

Ich glaube, das sind vor allem Leute um die 40. Für die ist Graffiti etwas aus den Achtzigern, weil damals die Medien so ein paar Sachen an die Oberfläche gespült haben und Künstler wie Keith Haring und Basquiat plötzlich in New Yorker Galerien zu sehen waren. Das ist der Zeitausschnitt, wo für viele Graffiti relevant war. Das die Sache sich seitdem immer weiterentwickelt und global verbreitet hat, ist an denen weitgehend vorbeigegangen. Dabei muss man nur ab und an seine Nase in das ein oder andere Magazin stecken um zu erkennen, wie stark der Einfluss von Graffiti auf Werbung und Design ist.

Ist Graffiti darüber hinaus immer noch ein heikles Thema?

Klar, und es wird sogar noch immer heikler. Die letzte Gesetzesnovelle ist noch nicht lange her; der politische Kurs verschärft sich immer weiter und die Fronten verhärten sich. Von Seiten der Politik und der Bahn wird mein Film daher sicher gar nicht gern gesehen und die Öffentlichkeit hat nicht gerade auf ihn gewartet.

Hast Du das während des Drehs zu spüren bekommen?

Und wie. Obwohl wir das ZDF mit an Bord hatten, haben sich für uns keine Türen geöffnet und auch bei der Filmförderung wollte man mit dem Thema nichts zu tun haben. Wir haben in ganz Westeuropa keine Drehgenehmigungen bekommen, so dass wir schließlich alle Szenen, die in den Bahnen und um sie herum spielen, in Polen gedreht haben. Dort war man kulanter, obwohl auch Polen ein massives Graffitiproblem hat.

Ist man sich als Graffitimaler der legalen Probleme bewusst oder macht man sich keine Gedanken über Sachbeschädigung?

Für mich ist natürlich gerade der springende Punkt, dass beim Sprayen eben nicht um Erlaubnis gefragt wird und man eben nicht an eine Galerietür klopft, um für zwei Wochen seine Kunst auszustellen. Das machte schon immer die besondere Kraft dieser Kultur aus, dass sie sich äußert, wo sie will. Natürlich ist das ein rebellischer Gestus oder eine Haltung, die sich über anderer Leute Meinung hinwegsetzt. Aber dadurch lässt sie sich auch nicht eingrenzen und bleibt kein Phänomen, dass nur für manche und vereinzelt erfahrbar ist. Graffiti zeigt sich allen und ist für alle da. Es ist die Seele der Kultur, dass man sie nicht verpacken und irgendwo für 2,50 verscherbeln kann. Trotzdem gibt es mittlerweile auch sehr interessante Sachen, die im Galeriekontext entstanden sind, das ist ja nicht prinzipiell kraftlos. Aber die ursprüngliche Idee würde in diesem Rahmen nicht funktionieren. Dieser Aspekt hat mich an der Sache immer fasziniert und interessiert und den fand ich auch immer unterstützenswert.

Heißt das, dass Du für Straffreiheit in diesem Falle bist?

Nein, Strafen muss es wohl geben, das ist doch klar. Ich will ja keine völlig naive Hippie-Kommune etablieren, denn natürlich müssen sich Besitzer, von was auch immer, irgendwie schützen. Deswegen gehören Strafen auch dazu.

Du hast auch die Songs für den Film selbst geschrieben, die jetzt von HipHop-Legenden wie KRS-One, Afu-Ra, Freddie Foxxx oder O.C. gerappt werden. Wie konntest Du die alle zur Mitarbeit überreden?

Es war gar nicht so leicht, überhaupt an sie ranzukommen und die Jungs zu greifen. Die verschwinden ganz gerne mal für Wochen von der Bildfläche, und meistens muss man es irgendwie über die Mutter oder die Schwester versuchen, die häufig das Management machen. Wenn ich sie dann mal hatte, habe ich immer Material vom Film geschickt, und das war auch sofort der Türöffner. Sie haben meine Beats bekommen und die Szene, zu der ich ihren Track haben wollte. Dazu habe ich auf ein oder zwei DIN A4-Seiten geschrieben, was ich mir inhaltlich so vorstellte. Da haben sie dann meistens sofort kapiert, wo das hingeht und wie mein Stil ist.

Haben sie mittlerweile auch den ganzen Film gesehen?

KRS-One habe ich in München zum Screening eingeladen, wo er sich den ganzen Film reingefahren hat. Das war für mich ein ganz besonderer Moment, weil ereine Persönlichkeit, die mich sehr geprägt und musikalisch beeinflusst hat. Er war dann echt völlig perplex. Nach dem Film hat er drei Stunden darüber geredet und wie er sich selbst darin wieder erkannt hat. Das war schon wichtig zu sehen, dass der Film auch bei ihm funktioniert und in Amerika verstanden wird.