2008 ist so gut wie vorbei und motor.de schwelgt in Erinnerungen. In drei Teilen nimmt sich je ein Redakteur einer 2008er Besonderheit an. Diese Woche heißt es:

Zurück in die Zukunft vs. Back to the Roots


Kein gelungenes Zitat ohne Original. Keine Innovation ohne Altbewehrtes. 2008 wurde wieder in längst vergangenen Jahrzehnten gewühlt und gefunden. Eine Auswahl.

Schon Ende 2007 zeichnete sich am Horizont ein Donnerwetter ab, dass sich in allen Regenbogen-Farben über uns ergießen sollte. MGMT machten 2008 das Hippietum wieder salonfähig. Das Batik-Stirnband und der modern-elektronische Anstrich des Blumenkind-Habitus machten ihr Debüt „Oracular Spectacular“ zu einer Offenbarung. Selten lagen Nostalgie und Science-Fiction so nah beieinander. Was bleibt ist die simple Einsicht: Ohne Seventies kein „Seventies-Future-Sound“, wie die MGMTs selbst ihre Musik betiteln.

Während sich die einen mit wunderbarem Psychedelic-Kitsch nicht zwischen Raum und Zeit entscheiden konnten, hieß es im Rest der Welt „Back To The Roots“. Die Folklore fand 2008 eine neue Blüte der Beachtung. Jede Woche flogen frische Namen durch die Redaktion und versprachen rumpelnde Drums, jammernde Ukulelen, Banjos oder Akkordeons. Und die Gesänge wussten meist von Äxten, Mutter-Natur oder der harten Arbeit auf See zu berichten. So waren die britischen Inseln mit Bromheads Jacket oder Threatmantics vertreten. Letztere setzten auf ihrem Debüt „Upbeat Love“ der Violine ein Irisch-Folk-Denkmal. Die Mandoline wurde schon im letzten Jahr zum Eckpfeiler des Friska Viljor-Sounds. 2008 legten die Schweden mit „Tour de Hearts“ ein zweites Album nach.

Eine der amerikanischen Speerspitzen des naturbelassenen Sounds waren Port O´Brien. Die Kalifornier, angeführt von Fischersohn Van Piersalowski, legten mit ihrem Debüt „All We Could Do Was Sing“ ein ausgereiftes Indie-Folk Album auf den Tisch. Der Sound erinnerte an eine 8-Spur-Bandmaschine von Anno-Dazumal. Piersalowski sagte zum Charme der Imperfektion: „Wir haben da nicht viel geplant, sondern gingen ins Studio, haben ein bis zwei Takes eingespielt und fertig.“ Perfekt!

Eine Sorglosigkeit, die man den Fleet Foxes nicht anhörte. Auf ihrem wesentlich opulenter produzierten Debüt entstaubten sie den Satzgesang wie ihn die Beach Boys, die Bee Gees oder Simon & Garfunkel einst kultivierten. Zwar bezog Fleet Foxes-Sänger Robin Pecknold eindeutig negative Position zum Hippietum, servierte den Neos unter den Blumenkindern aber einen Soundtrack für das „Love and Peace“- Revival. Wir klatschten und tanzten zu „Fleet Foxes“ im Kreis für Frieden und freie Liebe. Was bleibt sind, neben einer der besten Platten des Jahres, Assoziationen zwischen bärtigen Waldschraten und exzessivem Kommunenleben.

Und so war der Staubwedel eines der wichtigsten Instrumente bei der Soundfindung 2008. Der wird auch in der nächsten Woche nicht eingepackt. Im zweiten Teil des motor.de Jahresrückblicks “Revival der Alten”. Schauen wir also aus der modernen Vergangenheit gespannt in die Zukunft 2009.

Florian Sievers