Horror-Punk hat Hochkonjunktur. Der blutrünstige Bastard, der sich aus Versatzstücken der Gothic-Literatur, alten und neuen Grusel-Streifen und dem musikalischen Nachlass der Misfits ebenso nährt, wie aus dem höllischen Spaß an Schock- und Schlock-Momenten, treibt längs nicht mehr nur im Untergrund sein unterhaltsames Unwesen. Mit ‘We Are Who We Eat’ verlässt nun – begleitet von grollendem Donnergewitter – das Zweitwerk von The Other die Gemäuer des Studio-Labors und stellt somit den wissenschaftlichen Beweis an, dass Punk, Rockabilly und Metal eine furchtbar-fruchtbare Fusion fürstlicher Finsternis ergeben.
Damit untermauert die Band, die einst vom Misfits-Cover-Act The Ghouls zur eigenständigen Monster-Combo mutierte, nach dem beachtlichen Debüt ‘They’re Alive’ einmal mehr, dass sie den Titel als deutsche Hausherren des Horror-Punk völlig zu Recht im Leichensack haben. Kein Wunder, schließlich hat gerade Horror in unseren Landen eine lange Tradition. “In Deutschland gab es schon immer eine Horror-Kultur. Angefangen mit den Schauerromanen bis zu den expressionistischen Stummfilmklassikern wie ‘Nosferatu’ oder ‘Der Golem’, die ja auch aus Deutschland kamen. Oder ‘Das Cabinet des Dr. Caligari’, der Film war ja auch ein Rieseneinfluss auf die späteren Universal-Filme, wie man bei ‘Son Of Frankenstein’ noch sehr schön sieht”, weiß Thorsten Wilms, alias Sänger Roderick Usher, und erläutert auch den Grund für ein wachsenden Zombie-Zuspruch. “Ich glaube, es gibt so eine gewisse morbide deutsche Mentalität, die sich auch im Horror-Punk widerspiegelt. Obwohl das Genre ja auch nicht ausschließlich ernst ist, es spielen ja genauso auch Halloween- und Trash-Elemente mit rein. Aber irgendwie passt es wohl grade zur derzeitigen Stimmung. In Zeiten, in denen vieles schlecht läuft, boomt Horror, das war schon immer so. Gleichzeitig kann man sich in der Musik auch fallen lassen. Man konfrontiert seine Ängste, hat aber zugleich Spaß dabei. Das ist zumindest meine Theorie.” Und die ist genauso stimmig wie die Platte, die dazu die passenden Hymnen zwischen Eskapismus und Exorzismus liefert. “Gerade zum Horror-Punk gehört dieser Hymnenfaktor einfach dazu. Klar gibt es Leute, die sagen, ob man denn jetzt schon wieder so einen Ohrwurmrefrain braucht. Aber ich höre auch die Ramones, und die Sachen, die man im Kopf hat, sind nun mal ‘Rockaway Beach’ und ‘Blitzkrieg Bop’.” Dass die morbiden Mitreiß-Melodien von The Other live dann auch für alles andere als tote Hose sorgen, liegt auf der Hand, schließlich frisst das darbende Publikum der Band gehorsam aus ebendieser. Sogar mit so lautstarker Begeisterung, dass Herr Usher – wenn es um die monströsen Refrains geht – seine Stimmbänder entsprechend schonen kann. Dabei sind The Other nicht nur ein Fiend-Fest für die Ohren, sondern natürlich auch optisch ein Augenschmaus. Im wahrsten Sinne des Wortes. “Mit Make-up im Gesicht ist es immer leichter auf ein Publikum zuzugehen. Ich bin auf der Bühne eben nicht mehr die Privatperson, sondern Rod Usher, der die Leute anders animieren kann, als wenn ich dort mit Bermudashorts und Skatershirt stehen würde. Momentan verteilen wir Augäpfel auf der Bühne, die von den Leuten stammen, die am Tag zuvor nicht so richtig mitgegangen sind. Die werden dann verfüttert und so können wir sicherstellen, dass die Fiends genug Angst in den Backen haben, um richtig abzugehen.”
Bei allem Spaß an der Maskerade des Makabren finden sich in den gesungenen Schauderserenaden beim genauen Hinhören aber auch viel erschreckendere Erkenntnisse. “Ich versuche nicht einen Film oder ein Buch nachzuerzählen, sondern will in der oberflächlichen Lesart eine Gruselgeschichte erzählen, die entweder spannend oder lustig sein kann, aber darunter fließen halt immer Themen ein, die einen persönlich oder die Gesellschaft betreffen. ‘Monster Bride’ ist ein Song, der erst mal witzig klingt, aber letztendlich geht es um Außenseitertum, Anderssein und anders aussehen. Es kommt ja vieles aus dieser Frankensteinthematik, bei der ein Monster, das eigentlich gar nicht bösartig ist, in diese Rolle hineingetrieben wird. Und das sind klare gesellschaftliche und politische Statements. Das ist auch meine Inspiration. Ich will so etwas nicht direkt ansprechen, weil ich den Leuten nichts aufs Auge drücken will. Aber genauso soll Horror ja auch wirken: unterschwellig.”
Text: Frank Thießies
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