Es gibt Menschen, die man gerne als Verbündete haben möchte. Menschen, deren tatkräftigen Händen man sich anvertraute, sollte man sich eines Tages einen Nackenwirbel ausrenken. Resolut, praktisch, gut. Menschen, die mit ihrer Präsenz einen ganzen Raum füllen und die diese Aufmerksamkeit, die ihnen geschenkt wird, mit Talent legitimieren. “Macher” nennt man sie im Volksmund und die Rede ist dabei weder von Hulk Hogan noch den Power Puff Girls, sondern von Menschen, die ihre Träume umsetzen und dabei so unabhängig sind, dass sie ein Leben ohne festen Wohnsitz und nennenswerte Besitztümer auf sich nehmen können. Oder, um es in Amy Millans eigenen Worten zusammenzufassen: “Ich bin immer 100% in allem, was ich tue, und sei es nur beim Abendessen.”
Amy Millans Traum war es, auf unserem schönen Planeten so viele Orte wie möglich zu besuchen. Man bedenke, dass die Liveversion ‘Amy Millan solo’ eher eine Neuerung ist und die Kanadierin die meiste Zeit mit ihren Bands Stars und Broken Social Scene verbringt. So reicht schon ein minimaler Auszug ihres wahnwitzigen Tourplans, der sie von einem Kontinent auf den nächsten bringt, um einzuräumen, dass dieser Wunsch getrost als erfüllt abgehakt werden darf. Ihr Zuhause ist der Tourbus, ihr Hab und Gut ist in ihren beiden ledernen Begleitern Eddie und Daisy verstaut und im Gespräch macht Amy nicht den Eindruck, als hätte sie auch nur das geringste Interesse daran, etwas am Status quo zu verändern. Vielleicht kann sie die Erfolgswelle, auf der sie derzeit mit ihren diversen Projekten umhersurft, deshalb so genießen, weil es durchaus auch schon andere Zeiten gab in ihrem Leben. Ein Zeugnis dessen ist ‘Honey From The Tombs’: Die Songs sind ausnahmslos sieben Jahre alt, aus einer Zeit also, die nach Amy Millans eigener Angabe äußerst einsam und freu(n)dlos war: “Die Songs sind alle in meinem Schlafzimmer entstanden, in einer Zeit bevor ich irgendwelche Freunde hatte. Ich hatte keinen Führerschein, konnte nirgends hinfahren und war völlig deprimiert. Viele meiner Stücke sind aus dieser Isolation heraus entstanden. Ich habe immer Angst wieder in diese Einsamkeit zurückzufallen, jeder fürchtet sich davor, deshalb können sich wahrscheinlich auch viele Leute mit meiner Musik identifizieren. Selbst bei uns im Tourbus gibt es Momente, in denen ich in die Augen der anderen sehe, die komplett leer und einsam scheinen, obwohl wir alle zusammen sind.”
An den Songs, wie sie damals geschrieben wurden, hat sich nicht groß etwas verändert; das großzügige Quantum an Bluegrass-Elementen jedoch, das Amys Vorliebe für alten Country mehr als nur durchschimmern lässt, trägt wesentlich dazu bei, dass es auf dem Album keine Längen, sondern neben sehr ruhigen und nachdenklichen Songs auch erfrischend viel Tempo und Lebendigkeit gibt. Amy Millans Gesang dagegen präsentiert wieder einmal eine der derzeit wohl schönsten aller melancholischen Stimmen und verbindet damit die Traurigkeit von früher mit ihrer heutigen Lebensfreude. Wer solche Alben macht, braucht keinen Psychologen, um die Vergangenheit aufzuarbeiten!
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