“Love me, love me say that you love me…”, dieser Bitte von Nina Persson wären wahrscheinlich viele Männer nur zu gern nachgekommen, als sich die Cardigans-Sängerin anno ‘Romeo and Juliet’ und via Filmmusik nicht nur in die Herzen der Kinozuschauer flötete. Auch einige der versammelten Herren bekommen ein verzaubertes Glänzen in den Augen, als die Sängerin an diesem lauen Sommerabend das Gula Studion in Malmö betritt. Anlass für das Zusammentreffen ist ‘Super Extra Gravity’, das neue und sechste Album der Cardigans, das an jenem Abend zum ersten mal der Öffentlichkeit vorgespielt wird, so dass auch die Herzen der übrigen Anwesenden einen Freudensprung machen.

“Einfach nett”, beschreibt Lasse (Johansson, Keyboard) am nächsten Morgen das abendliche Geschehen, während die Restmannschaft noch etwas verknittert aus den Augen schaut und die Möwen lautstark ihre Runden vor dem Hotelfenster drehen. Anders als bei ihrem letzten Streich hat das Quintett den Neuling im heimischen Malmö aufgenommen. “Wir wussten, dass wir hier unser normales Leben weiterleben, im eigenen Bett schlafen und jeden Tag die Post öffnen können und Musik machen. Zudem ist es billiger und viel unkomplizierter. Wir haben aus unserer Erfahrung gelernt, dass es ist nicht zwingender Maßen besser ist, in die Ferne zu schweifen, aber auf jeden Fall teurer. Wir reisen eh soviel, deswegen brauchen wir es nicht auch noch für die Studioarbeit zu machen”, erklärt Nina, die ihrem Ruf als unterkühlte Galionsfigur der Band weder bei der abendlichen Hörprobe, noch bei unserer kleinen Unterhaltung nachkommt. Ein ausgeklügelter Studioplan sorgt dafür, dass die drei frischgebackenen Väter der Band genug Freizeit haben, sich nebenbei um ihren Nachwuchs zu kümmern. Bis auf Peter (Svensson, Gitarre), der mit seiner kleinen Familie inzwischen nach Stockholm gezogen ist, leben Bengt (Lagerberg/Schlagzeug) und Magnus (Sveningsson/Bass) ebenso wie die eingangs erwähnten in der südschwedischen Hafenstadt, wo sie in einer Puppenstuben-gleichen Straße mit Einfamilienhäusern und kleinen Vorgärten ihren Proberaum haben. Dort kam es auch zu folgendem Zwischenfall mit ihrem Produzenten Tore Johansson. “Oh ja, ich erinnere mich gut daran”, setzt Lasse an. “Wir haben gerade geprobt und hatten keine anderen Vorschläge, was einen Produzenten anging. Man muss wissen, dass wir immerzu die Studiotoilette benutzen, da wir keine eigene haben und unser Proberaum neben an ist. Ich ging also rüber aufs Klo und Tore kam gerade vorbei.” Nina: “Wo ist die Toilette, und willst du unser neues Album produzieren?” “Ja, so ungefähr!”, lacht Lasse. “So war das. Ich ging zurück und sagte es den anderen. Wir haben einfach versucht, keine große Sache daraus zu machen. Vor allem nach der Erfahrung mit dem letzten Album.” Fürs Protokoll: Die Aufnahmen ihres Kuschelrock-Albums ‘Long Gone Before Daylight’ wurde Tore Johansson durch seinen Zweitproduzenten Per Sunding ersetzt, da “er nicht die Energie hatte und so verschob sich das Ganze, bis Per seinen Platz einnahm und Tore ausstieg.”

Mit altem Produzenten auf zu neuen Klängen, denn auch wenn die Cardigans “inzwischen 13 Jahre” gemeinsam unterwegs sind, haben sie sich stets weiterentwickelt und von Eays Listening (‘Emmerdale’) bis Elektro (‘Gran Tourismo’) fast jede Spielart der Pop-Musik für sich entdeckt. Eine der wenigen Konstanten ist Ninas unverwechselbare Stimme, die sich auch diesmal durch die von Peter komponierten Stücke haucht und singt.
Auch wenn “nur ein oder zwei Songs eine typische Pop-Song-Struktur besitzen”, wie Peter erklärt, ist das knappe Dutzend auf ‘Super Extra Gravity’ an Eingängigkeit kaum zu überbieten. Ob holprig und balladesk (‘Losing A Friend’), akustisch (‘Drip drop teardrop’), hitverdächtig (‘I need some fine wine and you, you need to be nicer’), verträumt (‘In the round’) oder poppig (‘Good morning Joan’) – nie zuvor klang ein Langspieler der Cardigans so abwechslungsreich. Die musikalische Weiterentwicklung fand ihre textliche Fortsetzung in dem Stück ‘And Then You Kissed Me II’. “Ich erinnere mich an keine Band, die das je gemacht hätte. speziell bei dem Thema häuslicher Gewalt, über das Nina geschrieben hat”, beteuert Peter. “Obwohl, mir fällt gerade ein, dass Metallica ein Stück namens ‘Unforgiven’ hatten und ‘Unforgiven II’ gemacht haben. Es ist ähnlich wie bei uns, du erkennst den Song an seiner Struktur und einigen Textzeilen wieder.”

Die Cardigans hatten ihren Hit und sind “erwachsen geworden” wie Nina abschließend feststellt. “Mir ist es egal, ob uns die Leute nur wegen ‘Lovefool’ kennen, denn es war eine unglaubliche Erfahrung, so einen Hit zu haben. Heute sind wir nicht mehr hungrig und versuchen auch nicht mehr, Songs für die Charts zu schreiben.” “Das haben wir nie getan”, wirft Peter ein, doch es wird klar, was Nina meint. Sie haben sich die Freiheit genommen (wieder einmal) zu experimentieren und vielleicht ist ‘Super Extra Gravity’ auch deshalb zu einem der vielseitigsten und spielfreudigsten Alben geworden, das die Fünf je zustande gebracht haben. Auch wenn es beim ersten hören ein wenig unscheinbar klingt, ist es auch diesmal ganz große Pop-Musik!

Text: Ina Göritz