Schnaps ist Schnaps und Dienst ist Dienst. Außer natürlich, man ist im Rockbusiness. Das wird zunehmend gesponsert.

Derzeit sind sie wieder auf Tour durch quer durchs Land, diesmal von Leipzig nach München: drei Nightliner mit durchaus angesagten Bands, die man als vielversprechende Newcomer bezeichnen könnte, und die allabendlich in einer so genannten „Bandbattle“ gegeneinander antreten. Das Publikum kommt gern – das Preis-Leistungs-Verhältnis ist bei 12 Euro Eintritt sensationell gut – und stimmt lautstark über den Sieger des Dreikampfs ab. An fünf Abenden einer Woche. Eine Band kommt in die nächste Runde zum großen Finale in, natürlich, Berlin. Ein Sieger steht indes schon lange vor den Konzerten fest: Jägermeister. Denn die Namen der Bands – diesmal Hadouken!, Datarock, Does It Offend You Yeah? – stehen unter dem Namen der Veranstaltung. Die heißt „Jägermeister Rock:Liga“ und ist eine feste Größe im Konzertkalender jeder halbwegs akzeptabel mit Musikszene versehenen Stadt des Landes. Wenn auch keine unumstrittene.

Die Rock:Liga ist, wenn man es auf das Faktische reduziert, eine Werbemaßnahme. Eine sehr clevere allerdings. Denn kein Stadtmagazin, Veranstaltungskalender, Gig-Guide oder Szeneteil einer Lokalzeitung kommt über kurz oder lang umhin, darüber zu berichten, wenn drei angesagte Bands in der Stadt sind. Immer fällt dabei der Name Jägermeister, mit dem wiederum jeder etwas anfangen kann. Das ist das Ziel. „Emotionale Aufwertung des Unternehmensimages“ heißt das in der Fachsprache der Marketingspezialisten, die seit eh und je darauf setzen, ganze Eventreihen mit einem Markennamen zu prägen. Jetzt auch in der Popmusik. Über den bisher bekannten Tauschhandel – Sponsorgelder für „Präsentation“, also ein Logo auf dem Plakat und gewisse Vorzugskonditionen vor Ort –, ohne den heutzutage kein professionell geführtes Festival mehr auskommt, oder eine VW-Golf-Pink-Floyd-Edition geht das weit hinaus. Angestammte Popdiskursler sehen das naturgemäß mit Grausen. Denn die Rollen verschieben sich, das Know-how der Konzertveranstalter wird als Dienstleister zur konkreten Durchführung in Anspruch genommen, die inhaltliche Hoheit jedoch liegt – am Namen deutlich sichtbar – beim Sponsor. Die Popkultur als Mittel zum Zweck, das widerspricht dem grundsätzlichen L’art-pour-l’art-Ansatz der (neben den Verlockungen von Ruhm, Reichtum oder einer daraus folgenden leichteren Verfügbarkeit von Partnern zum Geschlechtsverkehr und ungeachtet einer wachsenden Casting-Kultur) immer noch als grundlegende Tugend im Popgewerbe gilt.


Der Siegername steht auf dem Pokal. (Die Band heißt übrigens Friska Viljor.)

Es ist ein offenes Geheimnis, dass über die Jahre eben deshalb nicht alle angefragten Bands wirklich glücklich waren mit dieser Auftrittsgelegenheit. Dabei waren sie letztendlich meist trotzdem, denn eine vernünftige Gage ist ein sehr starkes Argument, gerade in allgemein eher schlechten Zeiten. Und schlecht sind die Zeiten im Livegeschäft für die allermeisten Beteiligten. Der immer wieder gern verbreitete Mythos des Livekonzert-Aufschwungs als Ersatz für einbrechende CD-Verkäufe gilt für Großevents à la „Rock im Park“ oder Touren von Weltstars in der Kategorie U2-Springsteen-Madonna. Das Tagesgeschäft für Band-Booker und Clubs sieht hingegen in der Regel weniger freundlich aus. Es kommen keineswegs mehr Leute in die angestammten Konzertclubs. Und wenn doch, dann zu einer mindestens halbwegs bekannten Band. Die wiederum heutzutage das vielleicht Dreifache von dem als Gage einfordert, was noch vor fünf Jahren üblich war. Denn tatsächlich müssen Musiker heute zunehmend vom Touren leben und sind gezwungen, die vermutlich kurze Zeitspanne eines Erfolgs maximal auszureizen. Das Nachsehen haben in erster Linie die kleineren Clubs, die sich einem ständig größer werdenden Kalkulationsrisiko gegenübersehen, das irgendwann die Schere zwischen erwarteter Besucherzahl und geforderter Gage nicht mehr leisten kann. Perspektivisch führt das einerseits zu drastisch eingeschränkten Tour-Optionen für unbekannte Bands, die ob des veranstalterischen Risikos schlicht nicht mehr gebucht werden, andererseits zu einer Verlagerung des Live-Angebots in mindestens mittelgroße Läden, deren Kapazität eine hohe Gage überhaupt erst ermöglicht.

Sponsoring greift von außen in diese Abwärtsspirale ein. Von der Größenordnung der Mittel, die eine weltweit agierende Firma für handfeste Imagepflege freimachen kann, lässt sich im normalen Musikbusiness nur träumen. Wer es geschickt anstellt und konsequent ist, kann die Glaubwürdigkeitsfalle umgehen. Dazu braucht es Sachverstand und langfristiges Engagement und es ist äußerst hilfreich, nicht gerade Panzer und Maschinenpistolen herzustellen. Erfolgreiche Beispiele für weitgehend Szene-akzeptiertes Branding gibt es: Die „Electronic Beats“ tragen T-Online zwar nicht im Namen aber im Logo und stehen für ein absolut credibles Programm fortgeschrittener Dancefloor-Oberklasse fernab von Proll-Raves à la Love Parade. Internationales Aushängeschild ist die inzwischen schwer renommierte „Red Bull Music Academy“, deren Teilnehmer von exzellenten Workshops in sehr ausgewählten weltweiten Locations profitieren. Berührungsängste gibt es dabei kaum noch, weder bei Medien noch Szenestars. Das gilt eine Klasse tiefer auch für die „Rock:Liga“ wo man immerhin ein Gespür dafür hat, was den gemeinhin halbwegs musiktrendbewussten Indie-Konzertgänger interessieren könnte. Und gegen einen Kräuterschnaps extra hat man in der Rockszene sowieso noch nie etwas gehabt.

Augsburg