Anlässlich der Veröffentlichung des fünften und ziemlich lauten Beatsteaks-Albums “.limbo messiah” sprechen wir zuerst mit Arnim Teutoburg-Weiß und Torsten Scholz. Über selbst auferlegten Druck, die Band als eingeschworenen Freundeskreis, den Schrifsteller William S. Burroughs und natürlich das neue Album.
Im zweiten Teil, den wir Euch morgen kredenzen beziehen dann Peter Baumann und Bernd Kurtzke Stellung zum neuen Werk und ihren veränderten Alltag als Familienväter.
Es behaupten zwar immer alle das Gegenteil, aber man macht sich doch nach so einem Erfolg – wie ihr ihn mit dem letzten Album “Smack Smash” hattet – beim Nachfolger garantiert Gedanken über die Richtung und etwaige Erwartungshaltungen, oder?
Arnim: Klar macht man sich da Gedanken: Verlässt du den Weg jetzt, bist du mutig? Und, wenn ja: Wie mutig willst du sein? Es gab durchaus Momente, in denen ich dachte, dass das auch eine ganz schön riskante Vorgehensweise ist. Die ersten Demos waren dann aber schon spürbar härter und schneller als alles auf “Smack Smash”, das kam wirklich ganz von selbst. Hauptintention war einfach zu sagen: Pass mal auf, wir müssen jetzt einfach wieder ein geiles Beatsteaks-Album machen, anstatt uns zu wiederholen.
Gab’s da vielleicht auch den etwas fatalistischen Reiz, ausprobieren zu wollen, wie weit ihr gehen könnt, was man euch durchgehen lässt?
Arnim: Wahrscheinlich auch. Ich weiß es nicht, da fehlt mir der Blick von außen. Wenn die Leute irgendetwas von uns erwarten, dann ist das Ehrlichkeit. Und das ist jetzt nun mal das Ehrlichste, was wir abliefern konnten. Weil wir gerade Bock auf diese Art von Musik haben. Es wird hoffentlich noch viele weitere Alben von uns geben und da werden wir sicher auch noch eine Menge anderer Dinge ausprobieren.
Der andere Weg wäre gewesen, noch mehr in die Song-Richtung zu gehen und darüber bestimmt auch seichter zu werden. Oder halt auf Nummer sicher bis zum jüngsten Tag immer wieder dasselbe – wie AC/DC oder die Ramones.
Arnim: Du weißt erst wie eine Band tickt, wenn du das erste und das zweite Album gehört hast. Ob sie in der Lage ist, sich durchzusetzen oder sich an Erwartungshaltungen orientiert. Das muss natürlich auch jeder selbst entscheiden. Für uns ist es eben wichtig, dass unsere Alben eine Entwicklung dokumentieren, sich voneinander unterscheiden. Andererseits liebe ich aber natürlich auch AC/DC und die Ramones. Das nächste AC/DC-Album ist quasi jetzt schon gekauft!
Ist erfolgreich zu sein eigentlich so wie man sich das vorstellt?
Arnim: (Überlegt) Bei uns ist das ja noch relativ überschaubar. Wenn ich mir Leute wie Robbie Williams angucke, die nicht mehr auf die Straße gehen können…Wo es dann auch nicht mehr um die Musik, sondern nur noch um die Leute geht, die sie machen. Wahnsinn! Bei uns ist es eher so, dass wir uns als Band immer wieder erden und zusammenraufen müssen. Ab und zu lässt einer von uns die Zügel schleifen. Und dann müssen die anderen den halt wieder auf die Spur bringen. Solange das klappt, dass wir es schaffen, uns auf einen Level zu bringen, solange kann etwas entstehen, das andere Leute gut finden.
Um vollends durchzudrehen, seid ihr vermutlich auch einfach schon zu lange dabei…
Arnim: Dass wir damit mal unser Geld verdienen, war natürlich immer ein Traum, aber wir haben das nie forciert. Auch “Smack Smash” sind wir nicht unter dieser Maßgabe angegangen. Das Wichtigste ist: Wir dürfen einfach nur wir selbst sein und dürfen uns nichts vormachen. Wir sind unsere schärfsten Kritiker.
Lob ist zwar schön, hilft aber nicht, wenn man selber nicht zufrieden ist. Selbstzweifel können ein Ansporn sein, oder?
Arnim: Schon. Ich fühle mich ja auch in keiner Weise irgendwo angekommen. Natürlich weiß ich unsere Situation zu schätzen. Dass ich nicht mehr kellnern muss, mich voll auf die Musik konzentrieren kann. Aber ich ruhe mich nicht darauf aus.
Dann war es wohl auch nicht schwer, sich nach all den strahlenden Tourneen zu motivieren, wieder in den Proberaum zu gehen, Songs zu schreiben etc?
Arnim: Gar nicht. Das Hauptproblem war eher, dass wir uns wieder neu finden mussten. Zunächst wir fünf und dann auch mit unserem Produzenten Moses Schneider. Das ist ja so ein typisches Ding bei deutschen Bands – dass man, wenn man einmal einen Produzenten gefunden hat, dann auch immer mit dem weiter macht.
Jon Caffery/Hosen, Uwe Hoffmann/Ärzte…
Arnim: Auch. Will ich aber nicht verurteilen. Jedenfalls muss man aufpassen, dass da keine Automatismen entstehen und deshalb die Zusammenarbeit jedes Mal aufs Neue überprüfen. Das gilt für beide Seiten. Wenn wir Moses Demos vorspielen, muss er darauf brennen, diese Musik produzieren zu wollen.
Euer ansteckend-komischer Humor sorgt dafür, dass ihr selten die Schwelle zur Arroganz überschreitet. Diese hemmungslose Freude über euch selbst hat doch meist was Unschuldiges und sehr Aufrichtiges.
Arnim: Weil wir uns selbst gegenseitig erden! Es gibt und gab schon ganz klar Momente, als ich gemerkt habe: jetzt bin ich gerade zu weit gegangen. Und da werde ich von den anderen sofort zurückgepfiffen. Das ist eben der glückliche Zufall, dass ich diese fünf Typen gefunden habe, wo einfach alles stimmt. Ein großes Geschenk, das man aber auch hüten und pflegen muss. Das ist schon auch fragil, nicht unendlich belastbar.
Jane Became Insane – Video
Es gibt, glaube ich, hinter der lauten und humorvollen Seite auch eine grüblerische und teilweise auch unsichere, die ihr nur nicht so stark nach außen tragt, oder?
Arnim: Die gibt’s auf jeden Fall. Auch in der Musik übrigens.
Da ist es vor allem eine auf den letzten beiden Alben dokumentierte Entwicklung.
Torsten: Klar, man muss sich das ja auch trauen, solche Unsicherheiten zuzulassen und zu zeigen.
Ein Lernprozess…
Arnim: Unbedingt. Und auch ein sehr wichtiger. Weil es einfach die ganze Sache nachvollziehbarer und greifbarer macht, wenn man auch mal die Hosen runterlässt. Zumindest wenn das ehrlich und aufrichtig und nicht kalkuliert macht. Damit macht man sich zwar angreifbar und für manche Leute vielleicht auch lächerlich, aber ich glaube, dem überwiegenden Rest kommt man damit näher. Ich finde, man muss das zulassen, dass man zum Beispiel auch in einem Interview mal ehrlich sagt: Ich kann die neue Platte gerade nicht mehr hören. Finde ich aber auch ganz normal, weil ich sie ja jetzt wochenlang um die Ohren hatte. Und genauso ehrlich und wichtig ist es auf der anderen Seite aber auch zu sagen: Hey, so einen Song hab ich noch nie gehört, das ist der Hammer. Auch oder gerade, wenn es sich um einen eigenen Song handelt. Das mache ich dann nicht aus taktischen Promo-Erwägungen, sondern weil ich einfach so empfinde. Generell gilt: Wir verstellen uns nicht, wir sind, was wir sind.
So ein Klima, in dem man sich auch mal lächerlich machen kann, muss man sich durch gegenseitiges Vertrauen aber erst schaffen.
Arnim: Klar. Da gibt es dann auch viele Sachen, die wirklich unter uns bleiben, die außerhalb der Band nichts zu suchen haben.
Torsten: Ist ja nicht immer leicht, sich und anderen Schwächen einzugestehen. Wenn ich zum Beispiel zu Peter sage: “Du, bei dem Song, da fällt mir jetzt nichts Außergewöhnliches zu ein, zeig mir doch mal, was man da machen könnte”, damit entblößt man sich ja auch. Oder zuzulassen, dass er eben auch mal Bass spielt, falls er eine Idee hat, die er selbst besser umsetzen kann. Okay, dann spiele ich halt nicht. In solchen Situationen entstehen ja auch Unsicherheiten. Das kratzt ja am Ego. Das kann ich dann aber auch zu- und rauslassen. Weil ich eben weiß, dass der Rest mir da den Rücken freihält. Meine Person wird ja nicht generell in Frage gestellt.
Also haben der private Arnim, der private Torsten absolut ihren Platz in der Band, jenseits von polternder Landschulheim-Stimmung, und da wird auch alles auf den Tisch gepackt?
Torsten: Auf jeden Fall. Private Probleme bespreche ich zuerst mit der Band. Kommt durchaus vor, dass wir in solchen Fällen den ganzen Tag nur Reden und kein Ton gespielt wird. Klingt jetzt vielleicht so Räucherstäbchen-mäßig, ist aber total wichtig.
Man kriegt euch ja auch nur in geballter Form. Egal wo man euch trifft, auf Konzerten oder sonst wo, ihr seid immer mindestens zu zweit.
Torsten: Ja, dummerweise verbringen wir auch noch die komplette Freizeit miteinander. Ich habe außer dem Minikosmos Beatsteaks vielleicht noch zwei Leute, mit denen ich überhaupt mal weggehe. Ich freue mich zwar jetzt auf unsere paar Tage Urlaub, aber wahrscheinlich sitze ich dann abends doch wieder da und weiß nicht, was ich machen soll. Weil die Leute, mit denen ich weggehen will, dann eben nicht da sind. Das wird sich glaube ich auch nie ändern. Ich kann mir zum Beispiel absolut nicht vorstellen, dass wir irgendwann mal in verschiedenen Städten wohnen werden. Ehrlich gesagt denke ich nicht einmal, dass wir auch nur in verschiedenen Berliner Bezirken wohnen könnten. Das war einfach immer so: So lange ich dabei bin, wohnten wir in einander angrenzenden Bezirken. Ich werde immer in einem Haus mit Thomas Götz wohnen. Ich könnte mir gar keine Wohnung irgendwo anders suchen, da wär’ ich ja ganz alleine, das geht doch nicht!
Was ist mit Kritik? Ihr werdet ja kaum verrissen. Könntet ihr damit umgehen?
Torsten: Doch, gab’s schon. Zwei sogar, aufgemotzter Penis-Rock hat mal einer geschrieben…
Arnim: Eine Sache hat richtig wehgetan: Der Sänger von dEUS, die ich ziemlich gut fand, wurde vor Jahren mal nach uns gefragt. Und der meinte dann irgendwas von wegen: “Musik von kleinen Jungs ohne Hirn.” Das hat echt gesessen! Oft merkt man ja bei schlechten Kritiken, dass die Leute missgünstig sind oder sich nicht richtig mit der Musik beschäftigt haben. So Sachen wie “Penis-Rock” – darüber kann ich lachen. Aber diese dEUS-Nummer…Hat mich letzten Endes aber auch angespornt und mir zu denken gegeben. Kritik spornt ja auch an. Ich glaube, dass wir mit der neuen Platte eine Menge Kritik ernten werden. Das hoffe ich sogar! Manchmal weist uns das auf Dinge hin, über die wir gar nicht so nachgedacht haben, eröffnet interessante Perspektiven.
Hört sich ja nett an, ist aber wohl kaum deine erste Reaktion auf solche Dinge.
Arnim: Nein! Als erstes sagt man natürlich: Fickt euch! Ist doch ganz normal, oder? Da geht’s ja um unser Herzblut. Wenn das jemand angreift…Aber mit ein bisschen Abstand. (überlegt) Also durch Kritik kann man sich weiterentwickeln. Wenn ich jetzt merken würde, wir spielen die neuen Songs und die Leute nehmen die nicht an, würde ich mir das sehr zu Herzen nehmen. Aber wenn jetzt jemand die Platte verreißt, nur weil er jetzt mit aller Gewalt gegen den Strom pissen will, na ja, was soll man da sagen. Soll er doch.
Aber Kritiken werden gelesen…
Torsten: Ja, alles. Das Verhältnis zwischen positiver und negativer Presse ist bei uns ja glücklicherweise auch ziemlich eindeutig ins Positive tendierend. Aber ich sammele jeden Schnipsel. Besonders freue ich mich darauf, mir in den nächsten Monaten die Interviews durchzulesen, bei denen ich nicht dabei war. Was sagt Bernd im Interview, was Thomas? Man hat ja immer so vorgefertigte Meinungen im Kopf: Dass Arnim total viel zur Platte erzählt, Peter meistens abschweift, Bernd eher so komisch, kurz, prägnant ist – und dann ist es letztlich oft doch ganz anders.
Find ich gut, dass ihr dazu steht. Die meisten sagen ja, sie lesen nichts und hören auch keine andere Musik und ich glaube, das stimmt fast nie. Vor allem, wenn offensichtlich Einflüsse geleugnet werden. Ihr zitiert teilweise überdeutlich, wie jetzt bei “Bad Brain” die Bad Brains oder zuletzt bei “Hallo Joe” The Clash.
Arnim: Das liegt daran, dass wir am Anfang nur gecovert haben. Unsere Lieblingssongs spielen zu können, war zunächst unser größter Ehrgeiz. Irgendwann hatten wir dann all diese Songs gespielt und konnten auch mal ein paar eigene machen. Und da wird man dann natürlich auch von dem beeinflusst, was man vorher nachgespielt hat.
Ihr seid ja auch nach wie vor totale Fans.
Torsten: Genau! Wollte ich gerade sagen. Wie wir uns teilweise auf Tour mit unserer Musik gegenseitige auf den Sack gehen, darauf freue ich mich jetzt schon wieder.
Arnim: Torsten und ich schmeißen uns tot mit Platten, wir kaufen unglaublich viel Musik. Neulich saß ich dann mal mit Peter im Interview und der sagt eigentlich immer nur so: “Na ja, ich bin Fan meiner eigenen Band und sonst höre ich nichts.” Und das stimmt sogar! Der Typ hört überhaupt keine neue Musik! Er ist halt ein Gitarrist, der so vor sich hin macht und jetzt ja auch Familie hat – ein wichtiger Aspekt. Da verschieben sich natürlich die Prioritäten, manches wird vielleicht ein bisschen unwichtiger. Fand ich jedenfalls total interessant, das so von ihm zu hören. Ich wollte gerade ansetzen und meine Lieblingsplatten aufzählen und er so: “Na, die Jungs spielen mir immer was vor, und sonst krieg ich eigentlich nichts mit.”
Wenn man über Songideen improvisiert, singt man ja meistens bedeutungslosen Kram, so Fantasie-Englisch. Stimmt es, dass ihr teilweise aus solchen Demo-Versionen die paar echten englischen Wörter zusammenklaubt und um sie herum dann den finalen Text schreibt?
Arnim: Ja, teilweise arbeiten wir so.
Das hat ja etwas sehr Zufälliges, Spontanes. Erinnert fast ein bisschen an die Cut-Up-Experimente von William S. Burroughs.
Arnim: Den kenn ich nicht, wer ist das?
Ein Schriftsteller, der unter anderem “Junkie” und “Naked Lunch” geschrieben hat. Und Teile seines Werks sind eben mit dieser Cut-Up-Methode entstanden. Er hat Textblätter fein säuberlich zwischen einzelnen Wörtern mit der Schere getrennt, sie dann mehr oder weniger zufällig wieder zusammengesetzt und geschaut, was sich daraus ergibt.
Torsten: Ach deswegen findet Thomas diese Arbeitsweise gut, ich glaube, der hat nämlich genau davon mal erzählt.
Arnim: Manchmal ist das ein bisschen so. Meistens schnappe ich mir eine halbe Flasche Wein, verkrieche mich und geh’ dann erstmal frei auf die Musik ab. Ich notiere mir Textfetzen oder meistens liegt da auch schon das Textbuch von Thomas, wo ich mir dann einfach prägnante Sachen raussuche. “Feed My E-G.O” habe ich so gefunden. Und so eigene ich mir den Song dann Stück für Stück an.
Thomas Götz ist wichtig fürs Songwriting, oder?
Arnim: Ja, er hat ein gutes Gefühl für Songs und einen absolut sicheren Geschmack. Super, so jemanden zu haben. Wenn Thomas sagt: “Hey, die Melodie ist irgendwie komisch, oder die und die Akkorde, die gab’s doch so schon tausendmal”, dann hat er meistens Recht. Da vertraue ich ihm total.
Ich finde, man kann seinen Einstieg auch gut an euren Alben ablesen. Es wirkt ein bisschen so, als hättet ihr durch ihn kompositorisch den letzten Schliff gekriegt.
Arnim: Total.
Torsten: Thomas Götz ist wahnsinnig wichtig für die Band!
Arnim: Na! Thomas ist wichtig, Torsten ist wichtig, wir alle sind wichtig!
Torsten: Aber auf einer ganz anderen Ebene.
Arnim: Auf jeden Fall hat er unserer Musik damals ein gewisses Fundament gegeben. Mit seinem Spiel natürlich, aber vor allem, als er dann anfing, sich in Songs einzumischen. Brauchst dir bloß die “Living Targets” angucken: Da gibt es eine ganze Reihe typischer Beatsteaks-Hits. Und dann ist da ein Beispiel, wo wir versuchen, einen Thomas-Götz-Song nachzuspielen – “Soothe Me” – und das ist einer der besten Songs überhaupt auf der Scheibe! Damals waren wir allerdings noch gar nicht in der Lage, sein Demo wirklich groß zu machen. Das kam dann erst mit “Hand In Hand”, da haben wir seine Vorgabe sogar getoppt. Aber das war natürlich auch eine Entwicklung.
Schreibt mal einer ein Buch?
Arnim: Ich bin mir sicher, dass Thomas Götz irgendwann eines schreibt. Du solltest mal seine Tagebücher lesen: Die sind urkomisch.
An dieser Stelle wechseln wir den Raum und setzen das Gespräch mit den Gitarristen Bernd und Peter fort. Was sie zu erzählen haben, lest Ihr im zweiten Teil unseres großen Uncut-Interviews.
Text: Caroline Frey
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