Als sich 1993 der Song ‚Loser’ seinen Weg durch die Alternative-Radio-Formate in den Mainstream bahnt, scheint es, als hätte die Douglas Coupland-Generation nicht nur ihr Buch und mit ‚Reality Bites’ und ‚Singles’ ihre Filme, sondern mit Beck Hansen auch ihr musikalisches Porträt gefunden. Doch bereits der Facettenreichtum des im Jahr darauf veröffentlichten Debütalbums ‚Mellow Gold’ sollte diesen eindimensionalen Definitionsansatz von Beck als One-Hit-Boy-Wonder der Slacker-Dekade zu einem Bild komplettieren, welches den technisierten Troubadour als musikalische Personifikation der popkulturellen Postmoderne darstellt. Beseelt von einem eklektischem Stilwillen und begleitet von einer rumpelnden Referenzkiste aus nahezu allen Spielarten der populären Musik, von Folk über Rock und Rap bis hin zu Funk und Jazz, zieht sich künstlerische Manie einhergehend mit der Schubladenverweigerung bis dato durch Becks kreatives Schaffen.
Geboren wird Beck Hansen am 8. Juli 1970 in Los Angeles, ein kurzer Blick auf die familiären Verhältnisse des Multitalents macht deutlich, woher der Mut zur musikalisch-künstlerischen Mutabilität und Vielschichtigkeit stammt. Während Becks Vater (später auch auf den Alben seines Sohnes) als Dirigent und Streicherarrangeur für diverse Tonstudios arbeitet, pflegt seine Mutter Kontakte zu Andy Warhols Factory. Auch Becks Großvater Al Hansen war, als Mitbegründer der in den Sechzigerjahren entstandenen Kunstbewegung Fluxus, von der Muse geküsst und warf dabei auch mal gerne ein Klavier aus dem Fenster (bekannt als der ‚Yoko Ono Piano Drop’). Kein Wunder also, dass bei so viel Boheme-Blut das Extraordinäre für Beck zur Norm wird.
Nach seinem Highschool dropout versucht sich Beck als Folksänger ebenso wie in verbalen Poetry Slam-Sessions und veröffentlicht schließlich auf dem Label ‚Bong Load’ seine ersten Singles als Independent-Künstler – ein Status, den Beck auch nach seinem Majorvertrag mit den beiden unabhängigen und konträren Veröffentlichungen, dem Noise-Manifest ‚Stereopathetic Soul Manure’ und dem akustischen ‚One Foot In The Grave’ (beide 1994) weiter aufrecht erhält. Während dem Debüt noch der Lo-Fi-Charme und der hausbackene Geruch seliger Wohnzimmer- und Küchensessions anhaftet, zeigt sich Beck 1996 auf dem von den Dust Brothers produzierten Nachfolgewerk ‚Odelay’ deutlich Sample-affiner und generiert ein unnachahmlich originelles Klang-Pastiche aus Country, HipHop, Rock, Pop und Soul, was Fans und Kritiker dazu verleitet, die Platte gleichermaßen wohlwollend zu goutieren und Beck schließlich zwei Grammys sicherte.
Bevor der reguläre Nachfolger von ‚Odelay’ in den Läden stehen sollte, vertreibt Beck sich und uns die Wartezeit 1998 mit dem Interimsalbum ‚Mutations’, einem Rückgriff auf vergleichsweise traditionell ausgerichteten Gitarren-Folk im leicht psychedelisch verspielten Science-Fiction Sound. Ein Jahr später schließlich erscheint ‚Midnite Vultures’, Becks Verbeugung vor Siebziger-Soul und Funk-Orgien, bei der die Akustikklampfe wieder brav in der Ecke steht. Eine Party-Platte, mit der wahrscheinlich wieder mal keiner gerechnet hat – erneut ein Grammy-Garant.
Auf ‚Sea Change’, ebenfalls wie ‚Mutations’ von Radiohead-Soundregler Nigel Goodrich produziert, schippert uns Beck dann 2002 wieder in stillere und tiefere Gewässer. Das Album markiert die Rückkehr zum balladesken folky Singer/Songwritertum und lässt sich mit seinen fast schon elegisch zerbrechlichen Songs als die Ruhe nach dem noch auf dem Vorgänger tobenden und exaltiert zelebrierten Sturm lesen. Was als nächstes folgen wird, ist bei Beck so ungewiss und ungenau wie eine Langzeit-Wetter-Prognose. Aber eben das macht die Sache ja spannend.
No Comment