Der Name sitzt und bleibt erst mal kleben. Sowohl in der Weird-Name-Policy als auch musikalisch folgen die Cold War Kids Bands wie Clap Your Hands Say Yeah oder Someone Still Loves You Boris Yeltzin. Kein Wunder also, dass die vier Jungs aus dem kalifornischen Long Beach die neuen Lieblinge der globalen Blogwelt sind.
Sänger Nathan Willet sollte eigentlich guter Dinge sein. Als Sänger der noch jungen Cold War Kids, die sich vor gerade einmal zwei Jahren gründeten, hat er wohl auch kaum einen Grund, wirklich glaubwürdig zu jammern. Die Band steht hoch im Kurs der Blogger- und Kritikerwelt, und die Konzerte sind schon auf der Promo-Tour durch Europa proppevoll. Die Chancen, dass sich das Debütalbum der Band, ‘Robbers & Cowards’, gut verkaufen wird, stehen also alles andere als schlecht.
Doch auf den ersten Blick sieht er beim Interview-Termin im Berliner V2-Gebäude etwas missmutig aus. Der Grund: Sein Magen. Der ist nicht etwa verstimmt oder verstopft, sondern einfach nur leer. Ein Bestellzettel eines lokalen Pizza-Dienstes kann da schnell zur Behelfsbibel werden und wichtiger als sämtliche Promo-Termine der Welt. Der Hunger sei ihm verziehen, der Terminkalender der Band lässt momentan kaum ein Mahl zu. In den letzten sieben Tagen spielte die Band in Holland, Frankreich und in Deutschland – ja Entschlackungsurlaub dürfte anders aussehen, das Interesse an der Band ist immens. Glaubt man der US-amerikanischen Bloggersphäre, dann sind die Kalte-Krieg-Kinder musikalisch der hot shit right now. Das Quartett klingt rau, bohème, ein bisschen nach Jack White, Tapes ‘N’ Tapes und den eingangs schon erwähnten Clap Your Hands Say Yeah.
Betont in der jüngsten Hysterie um die Band wurde hingegen immer wieder die textliche Raffinesse von Nathan Willet. Als graduierter Literaturstudent und designierter Highschool-Lehrer reiht er auf dem Debütalbum ‘Robbers & Cowards’ eine Geschichte an die nächste – und das vor allem mit Blick auf die trostlosen Geschöpfe dieser Welt: Ein Familienvater mit sattem Alkoholproblem in ‘We Used to Vacation’; ein Kirchgänger, der aus der Kollekte stielt, in ‘Passing The Hat’ oder ein Krimineller, kurz vor seiner nächsten Straftat in ‘Rubidoux’. Das Interesse an den Anti-Helden ist groß, vielleicht auch weil sich Nathan Willet als solcher nie verstand. “Nein, natürlich sind das hauptsächlich fiktive Geschichten, das Wenigste daran ist biografischer Herkunft. Dafür bin ich zu behütet und auch viel zu sicher aufgewachsen.“
Dennoch, der Blick von Außen ist scharf und durchaus voller Mitgefühl. Das wiederum ließ das einflussreiche, in den USA mittlerweile über Top oder Flop entscheidende Pitchfork-Webmag spekulieren, die Cold War Kids seien eine durch und durch christlich motivierte Band. Im zeitgenössischen US-Indie ist das nicht unbedingt ein Ritterschlag, das weiß auch Nathan Willet und weist die Vermutung erst einmal vehement von sich: “Religiöser Anstrich? Nein nein nein! Wir sind keine Christian- Rock-Band oder so. Ich glaube, da haben mich die Pitchfork-Typen absolut miss verstanden. Es geht in den Songs nicht um irgendwelche christlichen Motive, fuck that! Es geht um unterschiedliche Personen, über die ich singe und mir eine Geschichte überlege. Was mich interessiert ist beispielsweise, wie fühlt sich ein Krimineller vor der nächsten Straftat? Oder was denkt ein Kind, wenn es das Geschwätz seiner Mutter im Urlaub zum ersten Mal nicht mehr ertragen kann? Quälende Unsicherheiten interessieren mich.“
Pause, Nathan Willet hat sich nach dem kleinen emotionalen Ausbruch wieder gefangen und schielt schon wieder verstohlen – Religion hin oder her – in die Richtung seiner neuer Behelfsbibel, dem Bestellzettel des Pizza-Dienstes. Es sei ihm absolut verziehen, der unsichere Magen quält eben.
Text: Heiko Reusch
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