Vergangene Woche gab es an dieser Stelle kaum etwas zu berichten, weil sich alles um „Das Parfum“ drehte und es jenseits des Tykwer-Opus` eigentlich nichts Neues gab. Aus scheinbar guten Gründen, denn jetzt haben innerhalb weniger Tage über eine Millionen Menschen die Roman-Verfilmung gesehen. Dabei wird es vermutlich nicht bleiben, aber noch länger kann die Konkurrenz nicht still halten – und übertreibt es prompt: So viele neue Filme wie in dieser Woche liefen lange nicht an.

Fangen wir mal an mit „Road to Guantanamo“, schließlich wurde der Film von Michael Winterbottom bereits auf der Berlinale gefeiert und seit dem immer wieder irgendwo besprochen. Der Verleih hat irgendwie kein gutes Händchen gehabt was den Starttermin angeht; nach vielen Versuchen läuft das Drama nun zu einem denkbar ungünstigen Termin an, sowohl was die Aufmerksamkeit der Medien als auch der Zuschauer angeht. Sehenswert ist der Film trotzdem, weil er eine vehemente Anklage gegen Folter und natürlich auch die Zustände im titelgebenden amerikanischen Lager ist. Allerdings sollte man als Zuschauer Vorsicht walten lassen: Winterbottom trennt nicht immer deutlich zwischen Fiktion und Dokumentarischem und hinterfragt auch nie die Geschichte seiner realen Protagonisten, dreier junger Briten, die bei einem Trip nach Afghanistan unter Terrorverdacht und in US-Gefangenschaft gerieten.

Die Auseinandersetzungen in „Ich, du und der andere“ sind derweil alles andere als militärisch. Hier geht es vielmehr um Männer, Frauen und beste Freunde. Der andere heißt Dupree und nistet sich kurz nach der Hochzeit seines besten Freundes bei dem und seiner Gattin ein. Witzig ist das leider nicht besonders, auch wenn der Störenfried, der gerne nackt schläft und das Klo zum Saustall macht, von Owen Wilson gespielt wird. An seiner Seite darf Kate Hudson nicht viel mehr tun als niedlich strahlen, was uns mal wieder zu der Frage führt, warum diese bezaubernde Schauspielerin sich ständig unter Wert verkauft und von Riesenbabys an die Wand spielen lässt.

Wer eher kernige Kerle bevorzugt, ist in dieser Woche in „Crank“ besser aufgehoben. Ein rasend schneller Actionfilm, der bei schwachen Herzen durchaus zu Kammerflimmern führen kann, doch das ist irgendwie Bestandteil des Plots: einem arbeitsunwilligen Profikiller wird ein Gift injiziert, das erst tödlich wirkt, wenn er langsamer wird und die Adrenalinstöße ausbleiben. Wie das in etwa aussieht, kann sich jeder ausmalen, der an pseudoschicke MTV-Clips von vor fünf Jahren denkt. Und an die beiden „Transporter“-Filme, denn deren stoischer Hauptdarsteller Jason Statham ist auch hier der Held.

Kein echter Kerl ist dagegen der Held in „She’s the Man“. Sebastian ist noch nicht einmal ein Mann, sondern heißt eigentlich Viola und ist seine eigene Schwester. Auf der Leinwand ist das alles halb so kompliziert wie es klingt: weil Frauenfußball so verpönt ist, muss Viola sich als ihr Bruder ausgeben, um mit den Jungs trainieren zu können. Leider hat sie dabei weder an das gemeinsame Duschen noch an die heißen, halbnackten Zimmergenossen gedacht. So gibt es also viel harmlose Verwirrungen und ein bisschen Klamauk statt echter Gender-Revolutionen in dieser Mischung aus Shakespeare und „Kick it like Beckham“, die letztlich doch ganz niedlich ausfällt.

Tatsächlich Erwartungen auf den Kopf gestellt werden dagegen in „In den Süden“, wo die Rollen von Mann und Frau ein wenig anders gelagert sind als man das gemeinhin sieht. Hier fahren die frustrierten Frauen in den besten Jahren nach Haiti, um sie mit den knackigen schwarzen Jungs zu vergnügen – natürlich gegen gutes Geld und hübsche Geschenke. Wenn echte Gefühle ins Spiel kommen, wird die Angelegenheit in diesem sehenswerten französischen Drama (schon wieder mit der einmaligen Charlotte Rampling in einer der Hauptrollen!) natürlich unangenehm, von der Politik ganz zu schweigen: von weißen Touristen abgesehen, war die karibische Insel in den Siebziger Jahren für niemanden ein einfaches Pflaster.

Ebenfalls alles andere als ein Zuckerschlecken ist der Alltag an der High School, weswegen „Brick“ ihn auch prompt mit den Gangstergeschichten des Film Noir gleichsetzt. Die Mischung geht mal besser, mal schlechter auf, aber immerhin trägt Brendan (einer auf den man achten sollte: Joseph Gordon-Levitt) auf der Suche nach dem Mörder seiner Ex-Freundin keinen Trenchcoat. Sonst ist aber alles, wie man es aus den Schwarzweiß-Filmen von früher kennt: die Femme ist fatale und raucht lasziv, der Hauptverdächtige ein tumber Schläger. Und der Boss, der mit Drogendeals sein Geld verdient, während Mama ihm Plätzchen backt, muss natürlich hinken und sich auf einen eleganten Gehstock stützen.

Noch deutlicher steht das Thema Drogen übrigens in „Candy“ im Mittelpunkt. Schade nur, dass dabei permanent der Klischee-Alarm so laut schrillt, denn die Liebesbeziehung zweier junger, bildhübscher Junkies wird von Heath Ledger und Abbie Cornish zwar exzellent gespielt, ist aber erschreckend vorhersehbar. Und die eigentliche Drastik der Geschichte wird im Zweifelsfall immer dem Kitsch einer tragischen Love Story geopfert.

Der aufwühlendste Film der Woche ist folglich ein ganz anderer. Film ist für „Der Kick“ dabei fast das falsche Wort, denn Andres Veiel hat nur sein gleichnamiges Theaterstück für die Leinwand umgesetzt, lediglich mit zwei fantastischen SchauspielerInnen, die etwa 20 Rollen übernehmen, sowie einer Videoleinwand. Grundlage des Projekts ist der wahre Fall des 16jährigen Marinus, der 2002 von drei jungen Männern stundenlang gequält und schließlich mit einem Sprung in den Nacken ermordet wurde. Zu sehen ist das im Kino nicht, aber alleine die Prozessprotokolle sowie die Aussagen der Mörder, der Angehörigen und der Dorfbewohner, die hier vorgetragen werden, sind so erschütternd, dass man es kaum im Kino aushalten mag. Und trotzdem wünscht man sich, dass alle „Parfum“-Zuschauer auch noch in diesen radikalen und wichtigen Film strömen.


Patrick Heidmann