‘“Wie oft musst Du vor die Wand laufen, bis der Himmel sich auftut ?“.
Diese Frage stellen die FLOWERPORNOES um Frontmann und Ausnahmesongschreiber TOM LIWA ihrem ersten Album seit elf Jahren als Titel voran. Im Innencover der CD präsentiert sich die Band in OP-Anzügen mit Bernsteinketten um den Hals – was entfernt an eine Ufo-Sekte erinnert. Lebensretter oder Scharlatane ? Auch bei näherer Betrachtung bleibt dieser Zweifel… und ist Programm, nimmt er doch augenzwinkernd den Faden eines Stücks individueller deutscher Pop-Geschichte zwischen Grössenwahn und berechtigtem Anspruch auf…
TOM LIWAs FLOWERPORNOES waren Mitte der neunziger Jahre eine der ersten ernstzunehmenden Bands mit deutschen Texten. Sie veröffentlichten drei bahnbrechende Alben („Mamas Pfirsiche“, „Red nicht von Strassen, nicht von Zügen“ und „Ich&Ich“), die vielem was sich heute auf diesem Terrain tut als unverzichtbarer Einfluss gelten.
Diese Meinung teilen, neben der eher überschaubaren Menge von ein paar Tausend beinharten Fans, erstaunlich viele Menschen aus dem Musikbusiness – vor wie hinter den Kulissen und häufig dort, wo man es am wenigsten vermutet. Für mittlerweile geschätzte drei Generationen junger, deutschsprachiger Bands gilt Liwa, der einst mit seiner Band Flowerpornoes den Nährboden für all das bereitete, als heimlicher Einfluss und verlässliche Bezugsgrösse.
So wundert es nicht, dass z.B. Virginia Jetzt den Duisburger covern und die Kölner Klee sich Texte von ihm schreiben lassen.
Thomas Dörschel von Virginia Jetzt! :
„Dass Tom Liwa in seinen Texten nicht den Schmerz in den Mittelpunkt der Geschichten gestellt hat, sondern immer den Grund dafür, macht die Stücke der Flowerpornoes so einzigartig. Damals dachten wir noch, dass Beziehungen niemals so sein können, wie Liwa es uns erzählte … bis wir eines besseren belehrt wurden.“
Suzie von Klee erzählt:
„Als wir Tom Liwa 1991 kennenlernten, war er der einzige, der ernstzunehmende Texte in deutscher Sprache schrieb. Texte, die berührten, die peinlichkeitsfrei von Gefühlen handelten – unseren Gefühlen. Seine Songs machten stolz auf das Lernen aus dem eigenen Scheitern und gaben uns einen inspirierenden Schub nach vorne – immer wieder.
Und ganz nebenbei konnte dieser Typ auch noch ungemein sexy rocken.
Jetzt, Jahre später, ist das immer noch so. Durch alle Veränderungen hindurch hat er uns eine Menge bewiesen. Nicht zuletzt, wie man in diesem Geschäft würdevoll altern kann ohne sich zu verbiegen oder zur Kopie seiner selbst zu werden. Wie man frisch bleibt, in dem man sich stetig selbst erneuert.“
Warum bei all diesem Respekt der Name Liwa keiner breiteren Öffentlichkeit bekannt ist? Fragt man den Künstler selber so ist er um keine Antwort verlegen :
” …weil ich echten Ruhm nie wirklich wollte und er mir auch nicht gut getan hätte. Ich war von Anfang an auf einen hübschen, kleinen Kultstatus aus ! “. Lächelnd fügt er hinzu ” Wenn Gott gewollt hätte, dass ich berühmt werde, hätte er mir wohl ein anderes Gesicht und eine weniger sperrige Persönlichkeit gegeben, oder ?”
Ein Ding für die Massen waren die FLOWERPORNOES also nie. Zu polarisierend schienen ihre schonungslos offenen Texte, zu verstörend wirkte vor allem ihre zeitweilige Verweigerungshaltung dem Pop-Business gegenüber.
Nach Auflösung der Band veröffentlichte LIWA zahlreiche Solo-CDs unter seinem eigenen und diversen Projektnamen. Vor allem aber erwarb er sich einen legendären Ruf als leise humorvoller und herzlicher Entertainer durch Unmengen von intimen Solokonzerten. Seine elegant rockende Seite vernachlässigte der Duisburger, der heute ungleich entspannter wirkt als früher, in den letzten Jahren zunehmend.
Angeblich hat LIWA die Reanimation seiner alten Band zunächst geträumt und dann in der „sogenannten Wirklichkeit nachvollzogen“.
Im letzten Sommer jedenfalls durften ein paar tausend Besucher des Immergut-Festivals in Neustreelitz den ersten Auftritt der FLOWERPORNOES im neuen Jahrtausend erleben. Pläne wurden geschmiedet, alte Freundschaften aufs Neue besiegelt und schliesslich ein Album aufgenommen, das aufs Wundersamste altersweise Abgeklärtheit mit der Frische eines Debuts zu paaren weiss.
Tom Liwa
‘ WIE OFT MUSST DU VOR DIE WAND LAUFEN BIS DER HIMMEL SICH AUFTUT ? ‘ entstand über den ganzen beschriebenen Zeitraum. Peter Herrmann und Markus Leukel sind genauso auf der Platte zu hören wie Stefan, Markus und Birgit. Wie in alten Zeiten stammen die Harmoniegesänge von meiner Frau Alex, Tim Isfort steuerte eine handvoll toller Streicherarrangements bei. Alles, wirklich alles geschah in einer herzlichen, entspannt freundlichen Atmosphäre. Die Egokämpfe von früher – vor allem meine – hat niemand wirklich vermisst. Waren die späten FLOWERPORNOES durch alle Besetzungswechsel häufig genug eher ‘ Tom Liwa &… ‘, so kehrte heuer der gute alte Familiengeist wieder ein. Es fällt mir schwer zu sagen, wo das neue FLOWERPORNOES -Album für mich steht – geschweige denn, es in einen pophistorischen Diskurs einzuordnen. Für mich ist es viele Dinge gleichzeitig. Vor allem aber spiegelt es den Umstand, dass es mir/uns heute besser geht als je zuvor. Oft genug vor die Wand gelaufen, um den Himmel zumindest zu erahnen. Ich bin sehr gespannt, wie mein junges, nachgewachsenes Publikum auf uns reagiert. Ihm gehört das Album mehr als mir.
Ein souveräner Bilderbogen, von sicherer Hand gezeichnet, der sich von LIWAs zuletzt leicht ätherisch anmutenden Solo-Werken durch einen deutlich geerdeteren Duktus unterscheidet. Von Nostalgie will man in Duisburg indes nichts wissen und auch die Aussicht, nach Charts-Erfolgen anderer Interpreten mit den eigenen Songs möglicherweise noch einmal selber an die Fleischtöpfe zu gelangen, übt wenig Reiz aus.
‘“Grund für dieses Album ist die Energie, die Lust, die wir spüren, wenn wir zusammen spielen. Sonst nichts“ , sagt LIWA.
v2music.com
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