Auch ernste Themen können Erfolge in den Charts verbuchen, wenn sie großartig vorgetragen werden. Als 2001 das von HipHop-Urgestein Adegoke ‘Bantu’ Odukoya initiierte Projekt Brothers Keepers sich verbal gegen rassistische Übergriffe wehrte, kletterte ihre Single “Adriano (Letzte Warnung)” locker in die Top Ten der deutschen Hitparaden. Mit etwas Glück gelingt ihnen das auch mit dem zweiten Album “Am I My Brother’s Keeper?” (Columbia/BMG). Denn neben der Single “Bereit” sind einige weitere tolle Überraschungen darauf enthalten, wie Adé verrät.
Auf “Lightkultur” ging es vor allem darum, eure Erfahrungen als Afro-Deutsche zu vermitteln. Die Idee für “Am I My Brother’s Keeper?” war allerdings eine andere. Worum geht’s denn darauf?
Das erste Album war wichtig und notwendig, weil wir bei der Pressekonferenz bezüglich der Single “Adriano (Letzte Warnung)” festgestellt hatten, dass es ein riesiges Defizit in der deutschen Gesellschaft bezüglich schwarzer Menschen und schwarzer Deutscher gibt. Wir wollten mit unseren Songs beschreiben, wie unser Gemütszustand ist, was wir tagtäglich durchleben, was wir erwarten und was wir bereit sind, dieser Gesellschaft zu geben.
Bei der neuen Platte geht es darum, was in den letzen vier Jahren seit der Gründung von Brothers Keepers passiert ist und was wir erlebt haben. Wir waren viel unterwegs und haben über 30 Schulen bundesweit besucht. Es ging darum, zuzuhören und nicht nur denen was zu erzählen. Deswegen ist uns auch wichtig, dass wir mit örtlichen Initiativen zusammenarbeiten. Wir wollten nicht auftauchen, als Stars gefeiert werden und nach einer Stunde wieder weg sein. Sondern wir wollten die Chance nutzen, das dortige Engagement vorzustellen. Denn die Jugendlichen, die perspektivlos sind oder nicht mehr in die Jugendclubs gehen können, wenn diese von Rechtsradikalen besetzt sind, brauchen Alternativen.
Neben der Musik engagiert ihr euch in einem eigenen Verein. Was macht ihr da?
Außer den Aktivitäten in den Schulen haben wir z.B. Jungwähler mobilisiert und die Leiche eines jungen Nigerianers zu seiner Familie überführt, der bei einem Brechmitteleinsatz in Hamburg ums Leben kam. Das war sehr arbeitsintensiv und zeitaufwendig. Wir mussten recherchieren, wo er herkam und wie seine Identität war, denn er war als Asylbewerber hier in Deutschland. Des Weiteren haben wir dafür gekämpft, dass z.B. Blaise von den Brothers Keepers einen Status hier erhalten hat, denn ansonsten wäre er in den Kongo ausgewiesen worden. Vor allem haben wir uns um Leute gekümmert, die Opfer von rechter Gewalt geworden sind.
Arbeitet ihr mit anderen Vereinen zusammen?
Wo wir helfen können, helfen wir natürlich. Aber es gibt auch so viele kompetente Organisationen, dass wir die Leute oft an diese verweisen. Bei Brothers Keepers geht es darum, dass wir Opfern von rechter Gewalt helfen und eine Stimme haben, um gute Lobbyarbeit betreiben und Gesetzgeber beeinflussen zu können, z.B. bei Antidiskriminierungsgesetzen.
Wie kam es zu der Idee, eine weitere Platte zu machen?
Es kam einfach die Frage: Wollen wir eine neue Platte machen? Wie soll die aussehen? Wir haben uns mehrmals getroffen und uns auf ganz intensiven Meetings dazu entschlossen. Denn sie ist notwendig, weil wir quasi ein Mandat von den Jugendlichen und den Menschen bekommen haben, die unser Anliegen unterstützen. Wir verstehen uns als Stimme der Stimmlosen. Wir haben soviel erlebt, dass wir das jetzt mit der Platte kommunizieren wollen.
Was ist denn aus den Sisters Keepers geworden?
Wir haben das zusammengelegt. Brothers Keepers ist geschlechtsneutral. Die Platte dokumentiert, dass wir es nicht nötig haben, Quotenfrauen reinzuholen, sondern einfach wunderschöne Songs von Sängerinnen wie Cassandra Steen von Glashaus, Nadja oder Della Miles dabei haben.
Auf “Lightkultur” gab’s auch musikalische Ableger außerhalb Deutschlands. Wie sieht’s mit dem Engagement in anderen Ländern aus?
Die Sachen mit England und Jamaika waren Ausflüge. Das ist den Einzelnen überlassen, ob sie da was machen wollen. Mit Aktivitäten in anderen Ländern wären wir überfordert, denn Vereinsarbeit ist sehr zeit- und kostenintensiv. Wir sehen uns ausschließlich als deutsches Projekt, da unser Lebensmittelpunkt Deutschland ist. Hier im Lande wollen wir dazu beitragen, dass sich was ändert. Es gibt aber internationale Gäste als Bonus. Aus Afrika haben wir z.B. Positive Black Soul dabei, zu denen sich über Jahre eine richtige Freundschaft entwickelt hat.
Worum geht’s bei dem Stück mit den Afrikanern?
Bei “One Vibe” geht es genau um das, was wir auch auf dem Stück machen: Dass das frankophone mit dem anglophonen Afrika zusammenkommt und so Nigeria und Senegal mit Deutschland ein Dreieck bilden. Wir wollen zeigen, dass sich alle einigen müssten, obwohl es diese sprachliche Barriere gibt. Wie können wir diese überwinden? Mit HipHop zum Beispiel! Also mit “One Vibe”!
Bei vielen Stücken sind ganz besondere Elemente enthalten. Xavier Naidoo singt z.B. auf englisch und Afrob arbeitet mit Such A Surge. Wie kamt ihr auf diese Ideen?
Du sollst die Leute auf eine ganz andere Art und Weise kennen lernen. Wenn Xavier z.B. so singt, merkst du, dass er auch das kann. Es ist etwas, was du sonst eher nicht hörst und nicht erwarten würdest, weil er fast immer auf deutsch singt. Samy Deluxe hat meiner Meinung nach seinen persönlichsten Song auf das Brothers-Keepers-Album gepackt, wo er total über sich reflektiert, wie es wohl keiner erwartet. Oder Denyos Solostück, wo er viel aus seiner Biografie preis gibt. Wer hätte sich darüber Gedanken gemacht, dass Denyo aus Nigeria kommt und sein Stiefvater Iraker ist? Das sind die Sachen, die so eine Platte hörenswert, glaubwürdig und interessant machen.
Auch die stetig wachsende Reggaeszene ist mit u.a. Nosliw und Gentleman auf einem Stück vertreten. Kannst du dazu noch was sagen?
Bei “Will We Ever Know” geht es darum, was uns täglich begegnet. Ob wir jemals Ruhe finden, ist die große Frage. Jeder der beteiligten Künstler versucht das aus seinem Blickwinkel zu beleuchten. Mal geht es um die innere Zerstrittenheit, mal um die Gruppe und wie wir es trotzdem schaffen, einen gemeinsamen Nenner zu finden.
Text: Holger Köhler
Spendenkonto
Brothers Keepers e.V.
Postbank Dortmund
Konto: 6367 05460
BLZ: 44010046
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