Was war die verrückteste Rockstar-Aktion, die ihr in den letzten anderthalb Jahren gebracht habt?
Wie jetzt, Fernseher trashen und so was?
Genau, Sachen von denen keiner denkt, dass ihr sie macht, weil ihr ja Avantgarde seid.
Aber das ist ja auch schrecklich langweilig und eh nur ein Klischee, oder? Ich meine, das macht doch heute wirklich niemand mehr. Wir gehen schon gerne aus, aber das jetzt groß raushängen lassen, mit Groupies und so, ich weiß nicht. Wenn wir das machen würden, würden wir uns wahrscheinlich eh nur so vorkommen wie in Spinal Tap. Versteh mich nicht falsch. Es ist schon klasse, vor hübschen Mädchen zu spielen oder auch mit denen zu tanzen. Aber deswegen brauch ich die jetzt noch lange nicht mit ins Hotelzimmer nehmen,
Angeblich hattet ihr ja ohnehin keine Rockstar-Träume und seid eher aus Versehen Musiker geworden…
Das ist aber Quatsch. Natürlich hatten wir Rockstar-Träume. Die hat man ja als Kind schon.
Der einzige, der wirklich als Kind schon ein Instrument gespielt hat, bist du. Du hast ja sogar Musik studiert.
Ja, aber wenn man Musik studiert, denkt man ja eher daran, später einmal Lehrer zu werden oder so was. Nein, natürlich will man mit einer Band erfolgreich sein und Karriere machen. Aber trotzdem haben wir die Band nicht ausschließlich deshalb gestartet. Das wäre ja auch lächerlich und funktioniert sowieso nicht.
Du musst es ja jetzt wissen. Ist Erfolg zu haben denn wenigstens auch so, wie wir uns das als Kinder vorstellen?
Nicht nur, aber fast. Wir spielen nicht nur Konzerte jeden Tag, sondern haben auch nicht so angenehme Dinge zu tun, aber insgesamt ist es schon klasse!
Hattet ihr Zeit diese wahnwitzigen anderthalb Jahre zu reflektieren, wahrzunehmen, was da mit euch passiert ist? Verändert man sich vielleicht auch und wenn: Merkt man das überhaupt?
Nicht viel Zeit. Ich glaube aber nicht, dass wir uns als Personen stark verändert haben. Ich habe sicherlich viel dazugelernt, auch was das Musik-Business anbelangt. Ich kann mir vorstellen, dass einiges von dem, was ich jetzt weiß, für viele Leute desillusionierend wäre.
Aber Persönlichkeitsveränderungen könnt ihr keine ausmachen?
Eher nicht. Aber wir üben da auch gegenseitig Kontrolle aufeinander aus. Wenn einer von uns meint abheben zu müssen, halten ihn die anderen am Boden, deswegen passt das schon.
Wenn man ständig liest, dass man der Größte ist, dann besteht ja die Gefahr, dass man das irgendwann sogar glaubt.
Ja, da ist wahrscheinlich wirklich so. Man hat halt die ganze Zeit Leute um einen rum, die einen völlig kritiklos über den grünen Klee loben. Das merke ich auch jetzt bei diesem zweiten Album. Jeder sagt ständig nur wie toll das doch alles ist, keiner sagt, dass irgendwas scheiße ist. Ich meine, was soll ich dazu sagen, damit kann man doch nichts anfangen! Dann habe ich aber auch ein paar alte Freunde, die sagen dann, was wirklich los ist. Wenn ich denen das Album vorspiele, kommt halt auch mal Kritik an einzelnen Songs. Da kommt dann die Ehrlichkeit raus, und das brauche ich auch. Das fehlt sonst oft, die Ehrlichkeit. Aber was Persönlichkeitsveränderung anbetrifft: Ich glaube, dass sich, wenn man berühmt wird, allenfalls die negativen Seiten in einem verstärken. Man wird also wenn überhaupt zu der Person, die man tief in seinem Inneren schon immer war. Und da sind wir, glaube ich, alle charakterlich von der Disposition her nicht so gefährdet.
Was ist mit eurer Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Steht ihr hundertprozentig hinter dem Bild als etwas schnöselige Art-School-Band, das allgemein von euch aufgebaut wurde?
Ein bisschen ist die Sache aus dem Ruder gelaufen. Ein Beispiel: Wir kriegen häufiger Klamotten von irgendwelchen Designern geschickt, in denen wir uns dann fotografieren lassen sollen. Vor ungefähr einem Jahr war es mal wieder soweit. Wir zogen irgendwelches Zeug an, machten Fotos und als wir die dann später gesehen haben, dachten wir nur: “Oh Mann, wir sehen ja lächerlich aus, wie geschleckte Hühner.” Dann ist es an der Zeit, etwas zu ändern. Insgesamt ist das Bild aber schon einigermaßen klar, da wir es ja zu einem Teil auch erschaffen haben. Über die Videos und Fotos haben wir ja eine gewisse Kontrollmöglichkeit und die nutzen wir auch.
Was mir aufgefallen ist, und was ich als ein bisschen ärgerlich empfunden habe, ist, dass in der Berichterstattung einheitlich mit dieser Kunst-Geschichte euch immer so eine gewisse Distanz zur Musik und gewissen Stereotypen des Business unterstellt wurde. Das wirkt so ein bisschen abgehoben-elitär…
Das ist schon langweilig irgendwie. Natürlich sind wir nur Musiker, im Endeffekt machen wir Musik und nichts anderes. Mit dieser Art School-Geschichte, das ist ja auch nichts Besonderes. Es gab vor uns schon Millionen Bands, die aus den Kunstschulen hervorgegangen sind. Dieser Aspekt ist jedenfalls eigentlich nicht wichtig für uns und ich glaube, dass sich das auch über die Jahre totlaufen wird, weil es einfach langweilig und uninteressant ist.
Keith Richards war auf der Art-School.
Genau. Und John Lennon ja auch. Bei Roxy Music war glaube ich die komplette Band auf der Art School.
Was anderes: Am WE nachdem wir in München die Interviews gemacht haben hast du geheiratet, alles gut gelaufen?
Das war sehr schön! Der Himmel war weißblau, die Blasmusik hat gespielt – herrlich!
Deine Frau ist Deutsche, richtig?
Sie ist Österreicherin, aber in Rosenheim aufgewachsen.
Und, sprecht ihr Deutsch zu Hause?
Ja, wir reden Deutsch. Deshalb kann ich’s auch noch einigermaßen.
Klappt doch sehr gut und sogar mit bayerischem Akzent.
(Lacht) Oh je, wirklich? Das ist ja furchtbar! (Furchtbar mit rollendem r!)
Glaubst du an nationale Identitäten und wenn ja, fühlst du dich eher deutsch oder britisch?
Immer, wenn ich in Deutschland bin, fühle ich mich britisch und wenn ich in England bin, deutsch.
Das hat aber doch durchaus seine Vorteile, oder? Man bewahrt sich einen Blick von außen, den andere vielleicht nicht haben. Auf der anderen Seite gehört man aber auch nie ganz dazu…
Ich finde das ganz lustig, immer der Andere zu sein. Manchmal stört’s aber auch ein bisschen. Ich kenne mich überhaupt nicht mit der ganzen britischen Kultur aus. Wenn die Jungs aus der Band über die Fernsehserien sprechen, die sie als Kind geschaut haben, sitze ich halt daneben und denke an Thomas Gottschalk. Was die Band betrifft, macht das, glaube ich, aber sogar einen wichtigen Teil unserer Identität aus. Dass wir nicht total auf Großbritannien fixiert sind wie so viele andere. Alex hat ja noch seine griechischen Wurzeln, wir sind da schon allgemein eher eine europäische Band und nicht so typisch britisch. Und das finde ich gut.
Alex meinte, du hättest auch wieder an deutschen Textpassagen gearbeitet. Ich hab aber nach ein paar Durchläufen noch keine auf der Platte entdecken können…
Ich habe das kurz überlegt, aber das wäre mir so konstruiert vorgekommen. Man muss das ja jetzt auch nicht jedes Mal machen. Entweder es kommt von selber oder eben nicht.
Es gibt ja diesen Spruch, dass man für die erste Platte das ganze Leben Zeit hat und für die zweite dann nur ein Jahr oder so. Bei euch war es noch ein bisschen weniger Zeit. Fühlst du dich denn jetzt wohl mit “You Could Have It So Much Better”?
Ja, absolut. Ich finde es wirklich unglaublich, dass wir das hingekriegt haben. Keine Ahnung, wie wir das geschafft haben. Acht oder Neun Songs hatten wir bereits unterwegs auf Tour geschrieben und ein paar mehr noch danach, so dass wir ungefähr Ideen für 30 Songs hatten, als wir ins Studio gegangen sind. Was die Lyrics betrifft, so hatten wir noch jede Menge liegen gebliebener Ideen von früher, ganze Notizbücher voll, die wir jetzt noch mal durchgegangen sind. Material war also genug da.
Dass Teile der Platte unterwegs geschrieben wurden hört man. Viele Songs klingen rauer und spontaner, da ist viel Bewegung und Leben drin.
Das war uns auch wichtig. Es sollte auf jeden Fall rauer sein. Wir wollten was richtig Kantiges aus dem Leben gegriffenes, woran man sich festbeißen kann. Was es aber nicht sein soll, ist ein Unterwegs-Album. Wir wollten ganz klar nicht Lieder über das Leben auf Tour schreiben oder so, so was finde ich furchtbar.
Im Vergleich zum ersten Album, das ja eigentlich nur aus Hits bestand, bleibt nicht soviel schon beim ersten Hören hängen. Dafür hab ich aber das Gefühl, dass dieses jetzt ein bisschen nachhaltiger sein könnte.
Das glaube ich auch. Ich finde das hier ist überhaupt erst mal ein Album, während unser Debüt für mich immer nur elf aneinander gehängte Singles waren. Schön, dass du das so siehst übrigens.
Musikalisch geht ihr noch einen Schritt weiter zurück als zuvor. Man hört Anklänge an Bowie, Roxy Music, Lou Reed und sogar Iggy Pop.
Absolut, ja, da hast du Recht. So Zeug haben wir auch viel gehört. Aber auch Neil Young und neuere Musik. Wir mögen auch HipHop und so was, auch wenn man das vielleicht nicht hört.
Das merkt man aber schon ein bisschen an den Beats, diesen HipHop-Einfluss.
Das liegt vor allem an unserem Drummer. Paul ist einfach ein unglaublicher Schlagzeuger. Er spielt dermaßen straight, fast wie ein Computer. Da können wir uns alle dran aufhängen und dadurch sind die Rhythmen so dominant.
Macht sich denn bei der Arbeit an Songs auch dein Musik-Studium bezahlt? Übernimmst du innerhalb der Band die Rolle des technischen Direktors?
(lacht) Ja, manchmal. Ich habe natürlich schon viel gelernt an der Uni, aber auch genauso viel wieder vergessen. Und es bringt auch nichts, wenn ich den anderen irgendwas von dominanten Akkord-Progressionen erzähle. Letztlich kommt es beim Musikmachen ohnehin nur darauf an, dass man über ein inneres Ohr und eine Technik verfügt, die es einem ermöglicht das, was man in diesem inneren Ohr hört, auch umsetzen zu können. Und da sind wir eigentlich alle ganz gut. Die Technik, das rein handwerkliche Element meiner Ausbildung, benutze ich eigentlich kaum. Trotzdem gibt es durchaus Situationen, in denen mir das zur Hilfe kommt. Wir haben zum Beispiel neulich bei einem Konzert mit den Scissor Sisters zusammen Bowies “Suffragette City” gecovert, und bei solchen Gelegenheiten bin ich dann schon derjenige, der das dann raushört; einfach weil das bei mir am Schnellsten geht.
Nachdem die Platte zunächst gar keinen Titel haben sollte heißt sie jetzt “You Could Have It So Much Better”, was dazu einlädt, ein “With Franz Ferdinand” anzuhängen…
Das ist auch so gedacht, ist doch eigentlich auch logisch, oder? Gar keinen Titel zu benutzen war uns übrigens auch schon wieder zu Art-School-mäßig. Wir haben da schon Interviews gegeben, wo die Leute uns darauf ansprachen und meinten, wie künstlerisch und avantgardistisch das nicht wäre, so ohne Namen und so. Das war uns dann aber echt zu affig und so haben wir uns doch noch einen Namen überlegt.
Wie würdest du eigentlich dein Verhältnis zu Alex beschreiben? Interviews gebt ihr getrennt und zuletzt war von Prügeleien und ähnlichem zu lesen. Angeblich wolltest du sogar aus der Band aussteigen.
Ach weißt du, wenn es immer ein bisschen auf der Kippe steht, ist das doch viel aufregender, oder? Ja mei, wir haben ständig Auseinandersetzungen. Natürlich streiten wir uns und natürlich haben wir unterschiedliche Ideen, aber das ist auch gut so. Wir spielen halt mit offenen Karten, da scheppert’s dann auch mal gewaltig. Ich glaube aber nicht, dass ich jetzt deshalb die Band verlassen würde oder dass irgendeiner der anderen das ernsthaft in Erwägung gezogen hat.
Alex sagt ja eure Freundschaft sei zuletzt sogar noch gewachsen.
Ja, wahrscheinlich hat er Recht. Das ist ja auch ganz normal. Wenn man mit Kumpels zusammenwohnt, gibt es doch auch Auseinandersetzungen. Oder mit seiner Freundin, da streitet man sich auch die ganze Zeit. Okay, die ganze Zeit jetzt vielleicht nicht unbedingt. (Lacht)
Das soll es geben, durchaus.
Ja, das gibt’s auch. Nein, bei uns fliegen halt öfter mal die Fetzen und danach haben wir uns dann aber auch genauso schnell wieder vertragen. Das passiert ohnehin vor allem auf Tour. Als wir jetzt während der Plattenaufnahmen zusammengewohnt haben, ist gar nichts gewesen.
Die Fotos aus dieser Zeit wirken auch sehr entspannt, fast so ein bisschen Landschulheim-mäßig.
Ja, das war wirklich unglaublich, sehr gute Stimmung. An viele Dinge mussten wir uns halt auch erst einmal gewöhnen. Zum Beispiel, dass Alex jetzt auf einmal der große King ist. Wir haben die Band ganz normal zusammen gestartet und waren einfach nur vier gleichberechtigte Freunde. Und dann spricht irgendwann alles nur noch von Alex, der vorher einfach nur einer von uns war. Das sind dann so veränderte Situationen, da muss man sich erstmal dran gewöhnen. Als wir jetzt aber zusammen in Alex’ Haus gewohnt und die Platte gemacht haben, merkten wir, dass eigentlich immer noch alle beim alten ist und wir nach wie vor ganz normal miteinander abhängen können.
Das ist ja auch ganz normal, dass die Leute dem Sänger die größte Aufmerksamkeit schenken. Wo wohnt ihr denn wenn ihr nicht gerade in Alex’ Haus seid?
Der Paul wohnt in London und wir anderen eigentlich alle in Glasgow. Ich habe mir dort kürzlich eine Wohnung gekauft und Alex hat auch noch eine in der Stadt. Wo wir wohnen spielt aber im Prinzip keine Rolle, weil wir sowieso immer zusammen unterwegs sind und wenn dann mal frei ist, wollen wir uns eh nicht sehen. Ich fahre dann sowieso immer nach Deutschland.
Deine Eltern besuchen?
Ja, meine Mutter ist in England aber mein Vater lebt in Ottobrun.
Eure Tour startet in den USA, sieht so aus, als währet ihr eine der wenigen britischen Bands, die es auch über den großen Teich schaffen…
Ja, das ist toll, wenn es mal wieder ein paar britische Bands dort drüben schaffen. Und ich glaube, die Amis könnten ein bisschen Einfluss von außen auch mal wieder brauchen, da drüben scheint im Rock alles ein bisschen zu stagnieren. Und wir spielen ja auch gerne in den Staaten. Es macht Spaß, mal zu sehen, dass es da auch ganz normale Leute gibt – extrem coole Leute sogar! Als wir das erste Mal da rüber gefahren sind, war mir das schon sehr suspekt, gerade auch weil jetzt diese ganze Scheiße läuft. Dann zu sehen, dass viele Leute da drüben auch keinen Bock auf den Kram haben ist klasse. Und dann sind wir ja auch noch in die andere Richtung gegangen, nach Russland. Das war auch sehr cool.
Und, ist das so extrem wie man immer hört, mit Bestechungsgeldern und so?
Russland ist schon heftig, aber so krass ist es jetzt auch nicht. Okay, Alex haben sie seinen Laptop gestohlen. Da waren dann alle Lyrics und sämtliche aufgenommenen Songs des neuen Albums drauf.
Oh! Und, ist das irgendwo aufgetaucht und hat er die Texte noch anderswo gespeichert gehabt?
Wir hatten Glück. Der Dieb wusste wohl nicht, WESSEN Musik er da auf dem Rechner hat und Alex hatte noch die handgeschriebenen Versionen der Texte bei sich zu Hause. Ansonsten sind in Russland die Polizisten die Bösen. Na gut, das ist wahrscheinlich überall so (lacht). Aber in Russland musst du besonders auf die Bullen aufpassen, weil die überall die Hand aufhalten. Ständig muss man Schutzgeld bezahlen, man sollte also nicht zuviel Bargeld dabei haben. Witzig war übrigens auch unser Abstecher nach Ungarn. Dort haben wir insgesamt nur 1.000 Alben verkauft und dann aber vor 70.000 Leuten gespielt.
Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Leute dort alle keine Kohle haben und nur Bootlegs kaufen, die dann natürlich nicht in offiziellen Statistiken auftauchen.
Stimmt, das kann gut sein.
Das Abschlusskonzert der Tour ist dann Ende des Jahres in München, ist das Zufall oder gewollt?
Nee, das ist genauso geplant. An dem Abend ist mein Geburtstag, da können wir dann noch feiern.
Text: Torsten Groß
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