Für die wahren Kenner muss sich die Rückkehr von Jurassic 5 ungefähr wie eine Fortsetzung der Sopranos anfühlen – mit unglaublicher Spannung erwartet, von einer Welle von Mutmaßungen begleitet und vor allem mit (vor Vorfreude) verschwitzten Händen herbeigesehnt. Ganz zufällig machen sich Jurassic 5 genau in dem Moment, in dem Kollege Tony wieder in seinem Büro im Hinterzimmer des „Dada Bing“ Platz nimmt, daran, nach einer dreijährigen Auszeit ihr provokantes viertes Album vorzulegen: Feedback.

Die Rapper Chali 2na, Marc 7, Akil, Zaakir (Soup) sowie ihr DJ/Produzent Nu-Mark brechen nun, nach besagter Pause, zu neuen Schandtaten auf – was sie präsentieren, sind diejenigen Qualitäten, für die J5 inzwischen weltbekannt sind: harmonische und soulverliebte Gemeinschafts-Hooks, stets innovative Reim-Schemata, ein abwechselndes Vokal-Feuerwerk und natürlich Turntable-Stunts der A-Klasse. Ihre unfassbaren Verbalsalven, gepaart mit komplexen und samplebeladenen Produktionen wurden bis dato von niemanden in Qualität, Scharfsinn und Konsistenz übertroffen. Zieht man dann noch in Betracht, dass es sich bei dieser fünfköpfigen Crew um die wohl beste Live-Partygarantie in der HipHop-Welt handelt, darf man sie ohne Umschweife als fahrendes, musikalisches EREIGNIS bezeichnen.

Doch was genau macht ihn eigentlich aus, diesen besonderen Sound von J5? Bezeichnenderweise haben Kritiker in aller Welt wiederholt mit neuen Wortschöpfungen gerungen, um diesem Phänomen zumindest z.T. gerecht zu werden. Und nahezu ausnahmslos haben sie früher oder später Vergleiche zur „Golden Era“ des HipHop „gedroppt“: so z.B. rieten sie ihren Lesern, „sich De La Soul vorzustellen, wie sie gerade die Plattenkisten ihrer Eltern auseinander pflücken und Run DMC des 21. Jahrhunderts am Plattenspieler stehen“ (The Guardian). Ihre Beschreibungen sprachen von J5s „old school/jammin’-in-the-park Vibes aus den Achtzigern“ (The Washington Post) bzw. von einer „Old-School-Attitüde, wie man sie von Rappern wie Rakim, Public Enemy und KRS-One kennt“ (The San Diego Union-Tribune). Sie alle liegen sicher richtig, wenn sie einen Blick in die Vergangenheit wagen, denn Überreste aus den prägenden (und unvergesslichen) HipHop-Tagen sind ganz klar der Kern ihres Sounds.

Die Geschichte der Gründung von J5 führt einen ins Good Life Café in Los Angeles. Man stelle sich Folgendes vor: der Village Vanguard, ein Jazzschuppen in NYC, wird nach South Central Los Angeles verpflanzt, wobei die Improvisationskünste eines John Coltrane oder seines Überdrummers Elvin Jones gegen die Beats und Rhymes der Elite der südkalifornischen HipHop-Szene ersetzt werden: u.a. haben Snoop Dogg, The Pharcyde, Freestyle Fellowship und zwei weitere Gruppen, die Rebels of Rhythm und das Unity Committee, aus denen später J5 hervorgingen, hier ihre ersten Verbalschlachten geführt. In einem solchen Umfeld erklärt sich auch die Qualität und Hingabe, die man in den Sounds von Jurassic 5 raushören kann, wie auch die Relevanz ihrer kulturellen und musikalischen Einflüsse.

Während die beiden Crews – Rebels of Rhythm und Unity Committee – ursprünglich nur an einem einzigen Track zusammenarbeiten wollten – passend mit „Unified Rebelution“ betitelt – führte der Erfolg dieses besagten Songs im Handumdrehen dazu, dass die neue Verbindung in Form von J5 auf Dauer bestehen sollte. Ihre gleichnamige EP aus dem Jahr 1997, die sie auf ihrem eigenen Label veröffentlichten, verkaufte bereits beeindruckende 300.000 Einheiten weltweit. Also setzten sie sofort zu einem wahren Rundumschlag von einem Album an: Quality Control, ihr erstes Album für ein Majorlabel, erreichte Gold-Status. Mit Power in Numbers zementierten sie schließlich ihren Ruf als HipHop-Supergroup. Beide Alben erschienen während ihrer schier endlosen Touren: sie waren auf der Smokin’ Grooves Tour, waren Teil der Warped Tour, beim Lollapalooza, absolvierten ihre eigene Word of Mouth-Tour wie auch unzählige Abstecher nach Europa, Südamerika oder in entlegene Gebiete der Vereinigten Staaten, wo sie überdimensionale Festivals aus dem Schlaf rüttelten. Im Zuge dieses Live-Marathons wuchs ihre weltweite Fangemeinde stetig weiter, so dass ihr heutiger Fankreis zwar in den Staaten nicht ganz so absurd-riesig wie beispielsweise die Fangemeinde der Band Phish, im Bereich des HipHop aber doch eine deutliche Ausnahme ist. Beide Alben, Quality Control und Power in Numbers, wurden natürlich auch von Seiten der Kritiker in den höchsten Tönen abgefeiert: Erstere erhielt vom einflussreichen Gründer von HipHopSite.com in einer Rezension sogar die nur selten verliehene @@@@@-Höchstwertung.

Anstatt den eklektischen Boom-Bap-Sound, der inzwischen ihr Markenzeichen ist, gänzlich über den Haufen zu werfen, haben J5 dieses Element auch für ihr neues Album in den Vordergrund gerückt – und doch haben sie, darauf basierend, auch ganz neue Ecken ihres Klangspektrums ausgeleuchtet. So ist auf Feedback neben den Trademark-Produktionen von Nu-Mark, der ungefähr die Hälfte der Tracks produziert hat, auch eine Reihe von anderen Beat-Wizards am Werk: u.a. Scott Storch, Salaam Remi und Exile. Folglich lehnen sich J5 mit Feedback auch ordentlich aus dem Fenster. Genau genommen ist ihr neustes Werk im Vergleich mit den beiden Vorgängeralben sogar noch eklektischer und grenzenverachtender: für ihre erste Single, „Work It Out“, taten sie sich beispielsweise mit Dave Matthews zusammen, was sicherlich niemand erwartet hätte. Nachdem J5 mit dessen legendärer Band auf Tour gewesen waren, waren sie Freunde geworden und wussten zudem um die ähnliche Herangehensweise von Matthews. Das Zusammenspiel aus funkverliebtem Unterbau bzw. den Raps von J5 und dem verführerischen „Crooning“ von Matthews ist eine deutliche Ansage, die gleich zu Beginn von Feedback klarstellt, dass hier tatsächlich sämtliche Register gezogen werden.

Außerdem schaffen es J5 auf ihrem neuen Album, in sämtlichen Stilen und Geschwindigkeiten zu überzeugen: ganz egal, ob es sich nun um das gedrosselte „Work It Out“ oder aber den vorwärts bouncenden Rhythmus von „Brown Girl“ handelt, das im Übrigen von Superproducer Scott Storch beigesteuert wurde, die Fünf rocken in jedem Style. Genauso stilsicher tritt Salaam Remi, der in der Vergangenheit schon massive Hits für Nas oder die Fugees produzierte, mit „Radio“ auf den Plan, in dessen Fall er einen klassischen Beat mit einer wahren Über-Hook vergrätscht, die von allen vier MCs gleichzeitig gesungen wird.

Das Resultat kann man nur als Jurassic Park in absoluter Höchstform bezeichnen. Die von Nu-Mark produzierten Wahnsinns-Tracks „Where We At“ und „Future Sound“ halten sogar einen Gast-Rap von Mos Def bzw. ein sofort süchtigmachendes Roots-Sample bereit, das wiederum von den ineinander verschachtelten Raps von Soup und Akil abgerundet wird. Für „Get It Together“ meldet sich dann Salaam Remi mit einem Klavier-Loop zurück, das neben mächtigen Drums alle vier MCs zum Stelldichein einlädt: Akil macht den Anfang, Marc 7 stellt sich sofort an seine Seite, bis nach einer beeindruckenden Performance von Chali 2na Soup übernimmt und das Ende des Stücks mit Soul-Einlagen zelebriert.

Wie schon auf den Vorgängeralben, wird ganz am Schluss von Feedback noch einmal Platz für wortlose Introspektion gemacht: Nu-Mark allein auf weiter Flur. Mark, der dank seiner eigenen Seitenprojekte (Hands On und Blend Crafters) bzw. der Arbeit am Film-Soundtrack zu Take The Lead inzwischen ein noch unfassbarer Virtuose an den Plattenspielern geworden ist, liefert mit „Canto De Ossanha“ einen mehr als würdigen Abschluss zu diesem Album.

Was Feedback insgesamt ausmacht, sowohl musikalisch als auch inhaltlich, sind absolute Ehrlichkeit und Optimismus, die jegliche Anflüge von Orthodoxie im Keim ersticken. J5 machen Unerschrockenheit zur obersten Maxime, lassen jegliche Selbstgefälligkeiten links liegen – somit wird der unglaubliche Stil von ihrer ersten The Jurassic 5-EP mit diesem Album auf den neusten Stand gebracht und auf das Level des neuen Jahrtausends gehievt.

Soup fasst die beeindruckende J5-Experience am treffendsten zusammen: „Es ist wirklich unfassbar, was wir schon alles erreichen konnten, und ich bin sehr dankbar dafür. Ich respektiere all das, und ich betrachte es keinesfalls als selbstverständlich. Oder besser noch: Ich versuche, all das nicht als Selbstverständlichkeit zu betrachten. Und ich find’s einfach wahnsinnig fett!“ Das ist allerdings unfassbar.

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