Zeitreise: Damals, als man noch ein wenig wehmütig in die Dorfdisko gegangen ist, weil man die neueste Folge OC, California verpassen würde, haben unbekannte, nie gehörte Gitarrenbands uns zu etwas tanzen lassen, was sich – damals auch noch neu und unbekannt – Indie nennen sollte. Spoon war so eine Band, wurde mit ihrem Song The Way We Get By zum Beispiel für „So klingt dieses neue heiße Indie-Zeuch“, wenn man mal wieder vor den weniger coolen Kindern mit seiner Street-Credibility angeben wollte.
Umso größer ist die Freude, wenn die Indie-Helden aus der eigenen Kindheit (wir werden nicht jünger) ihren Weg auf eine Bühne in unserer Nähe finden. So geschehen am 2. Juni im Berliner Bi Nuu, dem Laden in der U-Bahn-Station. Es beginnt eine Reise durch die Zeit: Das Publikum ist erstaunlich durchmischt, optische Universitätsdozenten 50+ sind zwar weniger zahlreich als das Hipster-Volk, aber dennoch vertreten. Spoon live zu sehen, das scheint ein total okayer Familienausflug geworden zu sein. Auch das Punk-Mädchen, das eigentlich nur hier ist, weil ihr Freund diese Indie Musik so mag, ist sichtlich angetan und kann sich in der Stimme von Britt Daniel (dessen charmante Segelohren wie Megafonverstärker zu funktionieren scheinen: Hammer Live-Stimme!) angemessen verlieren. Ausgelöst von dieser Familienatmosphäre fühlt sich der durchschnittliche Besucher zunächst jung. Yeehah! Dann setzt allerdings die Musik ein, und spätestens bei The Way We Get By erfüllt die Band die Menge mit nostalgischer Sehnsucht nach besseren Tagen. Man tanzt kaum, man denkt nach, seufzt ein innerliches „hach“ und denkt an früher, während das erste graue Haar unbemerkt gen Boden rieselt.
Funktioniert. Dass Sound und Setlist ebenfalls lecker, saftig und mit was Süßem gefüllt sind, muss kaum noch erwähnt werden. Spoon scheinen die Kunst der Twentysomething-Gedächtnisreise im Schlaf zu beherrschen, und auch wenn das mentale Alter der Anwesenden während des Konzerts in einem Maß steigt, das Löcher ins Raum-Zeit-Kontinuum reißen könnte, ist es ein Erlebnis dabei sein zu dürfen. Nur das Doppel-Herz nicht vergessen!
(Foto: Photo agency / Text: Carsten Brück)
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