Neues Album, neue Tour – die Erfolgsstory von Long Distance Calling geht weiter. Dabei haben die nicht mal einen Frontmann. Nun, wer sich’s leisten kann…
Wohin man derzeit in Deutschlands Musiklandschaft auch blickt, eines wird sofort klar: Postrock ist “in”. Dass die Bands zur Zeit “aus dem Boden sprießen”, wie sie es selbst formulieren, stört die fünf Mannen von Long Distance Calling aber herzlich wenig. Seit 2006 geht das Münsteraner Quintett unbeirrt seinen Weg und bietet atmosphärischen und instrumentalen Rock, der gern auch mal in Überlänge abdriftet. Nachdem man anfänglich händeringend nach einem geeigneten Sänger Ausschau hielt, machte die Band aus der Not schließlich eine Tugend und verzichtete einfach auf den Gesangsposten. Dass diese Entscheidung die richtige war, bestätigt sich auf dem mittlerweile dritten Studioalbum. Das selbstbetitelte Werk zeigt den Fünfer von seiner bisher besten Seite und bringt vielfältige Stilistiken in einem erfrischenden Gesamtsound zusammen. Dieser zeichnet sich vor allem durch ein Wechselspiel aus brachialen Riffs auf der einen, sowie filigraner Rhythmik und ausladenden Klangflächen auf der anderen Seite aus. Die Tatsache, dass alle Bandmitglieder aus verschiedenen Genres kommen, fördert dabei zusätzlich die enorme Bandbreite der Songs.
Was Long Distance Calling von anderen Postrock-Bands unterscheidet, ist sicherlich der ganzheitliche Ansatz: “Unsere Herangehensweise ist sehr Song-orientiert. Der Song an sich steht über allem. Zunächst versuchen wir, eine übergeordnete Struktur zu finden, bevor wir diese mit Melodien, Sounds und anderen Elementen erweitern”, erfährt man. Gleichzeitig verlieren die fünf Musiker ihre Wurzeln nie aus den Augen. So findet man bei Long Distance Calling immer wieder auch Einflüsse bedeutender Formationen wie Pink Floyd, Alice In Chains oder Tool. Für das stimmige Endergebnis dürfte nicht zuletzt auch entscheidend sein, dass das Quintett seine Songs grundsätzlich zusammen erarbeitet und jedes Bandmitglied dabei eine gleichberechtigte Rolle spielt: “Dieser Prozess ist sehr wichtig für uns und fühlt sich einfach richtig an.”
Vollständig möchte die Band aber nicht auf die gesangliche Komponente verzichten. Auf ihrem neuen Opus führen Long Distance Calling deswegen die Tradition fort, bei ausgewählten Songs mit Gastsängern zusammen zu arbeiten. Zusätzlich finden sich auch immer wieder Stimmen in Form von Samples in den Kompositionen wieder, wie beispielsweise Auszüge aus Franz Kafkas “Vor dem Gesetz” im 2007er Song “Fire In The Mountain”. Während auf dem Debüt “Satellite Bay” Schreihals Peter Dolving von den schwedischen At-The-Gates-Erben The Haunted am Gastgesang zu hören war, verpflichtete man auf dem Nachfolger “Avoid The Light” Jonas Renkse von den Düster-Rockern Katatonia. Für das aktuelle Werk lieh nun der Armored Saint- und ehemalige Anthrax-Sänger John Bush dem Song “Middleville” seine Stimme. Das Ergebnis überzeugt und verdeutlicht erneut die Wandlungsfähigkeit der Band: mit einem Blick ins Booklet muss man sich erstmal vergewissern, ob Klampfen-Prolet Marc Tremonti hier wirklich nicht mit von der Partie ist.
Dass als Albumtitel der Bandname selbst gewählt wurde, erklärt man übrigens so: “Der Name ist eng mit dem Konzept der Platte verknüpft. Wir thematisieren auf dem Album Dinge wie Zeit, Raum und Entfernung. Letztendlich sind wir alle ein kleiner Teil eines ständig wachsenden Universums. Da fanden wir Long Distance Calling einfach passend.” Auch vor diesem Kontext wollte die Band dem aktuellen Werk einen sehr organischen Sound verpassen: “In Zeiten der Überproduktion und Kompression wollten wir einfach in eine andere Richtung und unserer Musik die Chance geben, zu atmen”, lässt die Band verlauten. Bewerkstelligt wurde dieses Vorhaben in den Horus Studios Hannover, wo bereits Größen wie Donots, Paradise Lost oder die Scorpions aufgenommen haben.
Long Distance Calling – “Black Paper Planes” (live)
Fünf Jahre nach Gründung können Long Distance Calling bereits eine beeindruckende Vita vorweisen. So gastierte man auf dem “Rock am Ring”, absolvierte eine Tour mit den US-Rockern Dredg und spielte Shows mit Acts wie Coheed And Cambria oder den Deftones. Dazu sagt Bassist Jan Hoffmann: “Diese Erfahrungen und Kollaborationen haben unseren Horizont erweitert und uns immer weiter ermuntert, über die Grenzen zu treten, innerhalb der sich die meisten Bands selbst einengen und beschneiden.” Das Konzept der Musiker scheint aufzugehen: kürzlich meldete man für die anstehende Tour die erste ausverkaufte Headliner-Show in Köln. Laut Hoffmann erwartet uns live übrigens eine “spannende Reise durch Indie, Rock, Alternative und Metal.” Man darf gespannt sein, wo die Reise hingeht.
Anton Kostudis
Long Distance Calling – “Long Distance Calling”
VÖ: 18.02.2011
Label: Superball (EMI)
Tracklist:
01. Into The Black Wide Open
02. The Figrin D’an Boogie
03. Invisible Giants
04. Timebends
05. Arecibo (Long Distance Calling)
06. Middleville
07. Beyond The Void
Long Distance Calling live:
18.02.2011 Münster – Skater’s Palace (Record Release)
19.02.2011 Köln – Underground
20.02.2011 Hamburg – Knust
21.02.2011 Dresden – Beatpol
22.02.2011 München – Hansa 39
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