Dass interessante Bands nicht immer blutjung sein, blendend aussehen und dem Zeitgeist hinterher hecheln müssen, sollte all denjenigen klar sein, die zum Musik hören auch mal gern die Augen verschließen können. WE sind so eine Band. In ihrer Heimat Norwegen hat das mittlerweile um einen festen Keyboarder auf fünf Mann gewachsene Team längst den Status von Stoner-Rock-Superstars inne. Und ‚Smugglers’, ihr aktuelles und sechstes Album, hat sicherlich das Zeug dazu, auch außerhalb der Fjorde für wahre Psychedelic-Rock Begeisterungsstürme zu sorgen.

Hierauf bedienen WE nämlich nicht nur dauer-bekiffte Led Zeppelin, Kyuss und Monster Magnet-Altfans fürstlich, sondern geben mit fein getrimmtem, memorablen Songwriting und stilistischen Ausschweifungen in sogar swingend-groovige Gefilde, die kompakteste und beste Vorstellung ihres Lebens. Kein Wunder, dass in Norwegen mittlerweile eng gestrickte Zielgruppen-Analysen für WE längst nicht mehr greifen. Dem stimmt Sänger Thomas Felberg voll und ganz zu. „Absolut. Früher kamen die ganzen Altrocker, Hippies und Freaks. Heutzutage kommen vermehrt auch junge Mädels und Musikliebhaber aus jeder Ecke. Uns geht es live darum, Spaß zu verbreiten und die Leute dazu zu bringen, sich in der Musik zu verlieren. Man kommt aus einem WE-Konzert nicht mit einem Flunsch im Gesicht, sondern es sollte einem ja ein euphorisierendes Gefühl geben. Wir haben in letzte Zeit beobachtet, dass Pärchen die zum Konzert kommen, anfangs nur Händchen halten, aber nach den ersten paar Songs wie wild rummachen. Soviel also zum Sexappeal im Sound von WE.“ Eine ganz andere, nämlich musikalische, Anziehungskraft, üben die Norweger seit längerem schon auf Kyuss-Knöpfchenregler und Masters Of Reality-Kopf Chris Goss aus, den sie mit ‚Smugglers’ nun endlich für eine lang geplante Produktions-Kollaboration verpflichten konnten. „Wir haben ihn 1998 zum ersten Mal getroffen. Wir waren da gerade auf Tour und haben uns extra einen Tag frei genommen, nur um das Masters of Reality Konzert zu sehen. Diese Band war und ist ein großer Einfluss für WE, weil sie bereits in den 80ern demonstriert haben, dass man diese Art von psychedelischer und traditioneller Musik spielen kann, obwohl damals alles voll von Pudel- und Haarspray Rock war. Das hat uns als alte Led Zep-Fans natürlich schwer begeistert. In dieser Zeit haben sich andere Musiker mehr auf den ‚Black Dog’ Rock’n’Roll Teil und die Schreie von Robert Plant konzentriert und die ganzen spacigen Elemente komplett ausgeklammert. Aber die waren und sind genauso wichtig, wie Masters of Reality demonstriert haben. Wir haben Chris dann Backstage getroffen und ihm unser damaliges Album ‚Wooferwheels’ in die Hand gedrückt. Ein Jahr später haben wir dann eine gemeinsame Tour gemacht. Dabei hat sich eine Freundschaft aufgrund unserer Gemeinsamkeiten entwickelt. Er ist der alte Freak, wir sind die jungen Freaks.“ Das bei dieser Kombination dann nur ein absolutes Freak-Fest in Plattenform entstehen kann, liegt auf der Hand. Und doch haben WE, sowie Goss, trotz aller Weitläufigkeit, welche das Stoner-Sujet ja zwangsläufig bietet und gewissermaßen auch fordert, einen essentiellen Fokus nicht aus den Augen verloren. „Seine und unsere Philosophie ist, dass der Song der Boss ist. Und wenn der Song nach irgendetwas bestimmten verlangt, dann machen wir dies eben – für den Song. Wir schreiben und arrangieren alles zusammen und das Ergebnis ist Musik, die ein Eigenleben entwickelt, welches wir nicht mehr kontrollieren.“ Es ist dieses organische, ja fast schon transzendentale schamanische Rockverständnis, das WE in einer Musikwelt, die vornehmlich ausschließlich nach dem Schnelllebigkeitsgesetz des nächsten neuen, kurzen Kicks zu ticken scheint, auszeichnet und abhebt. Wer allerdings eher auf der Suche nach einer bleibend euphorisierenden Langzeitwirkung ist, sollte – ungeachtet der eingangs postulierten Prämisse – vor WE und ihrem erstklassigen Stoner-Stoff jedenfalls eines nicht praktizieren. Die Augen verschließen.

Text: Frank Thießies