Als vor zweieinhalb Jahren mit den nach Zach De La Rochas Ausstieg übrig gebliebenen Rage Against The Machine-Musikern und Soundgarden en persona Chris Cornell zusammenwuchs, was eigentlich nicht zusammengehört, war das im Ergebnis zwar mit vier Millionen verkauften Tonträgern der erwartete Erfolg, enttäuschte aber in künstlerischer Hinsicht nicht eben Wenige. Beim eifrigen Abwatschen der Band übersah man jedoch schnell, dass die im Vorfeld geschürten immensen Erwartungen wohl ohnehin nicht hätten erfüllt werden können und es mit ‘Like A Stone’, ‘I Am The Highway’ oder ‘Shadow On The Sun’ durchaus tolle Momente auf der Platte gab.
Neulich in der Redaktion: Die Audioslave-Diskussion ist in vollem Gange. Einer sagt, Audioslave, das sei im übertragenen Sinne nichts anderes als Juli oder Silbermond. Also nicht organisch gewachsen, nicht besonders authentisch etc. Zentraler Punkt der Argumentationskette: Die blonden Strähnchen von Chris Cornell. Zugegeben, die sahen reichlich beknackt aus. Aber ganz so einfach ist es mit Audioslave trotzdem nicht. Auch wenn man den Spott und auch die Häme, die sich das Allstar-Konglomerat seit seiner Gründung von vielen Seiten gefallen lassen muss, durchaus verstehen kann. Kritik rasselte damals von allen Seiten nieder. Den Rage-Fans war’s nicht politisch genug, der Soundgarden-Fraktion zu Crossover-lastig und Cornells alte Weggefährten konnten gleich gar nichts mit der Band anfangen. So gab mir der einstige Soundgarden-Drummer Matt Cameron vor zwei Jahren diplomatisch zu verstehen, dass “Audioslave nicht gerade zu meinen Favoriten zählen”. Der Chef des Grunge-Überlabels ‘Sub Pop’, Jonathan Poneman, wurde deutlicher, ohne etwas zu sagen: “Du wirst mir keinen Kommentar zu dieser ‘Band’ entlocken können, aber Chris ist ein seht talentierter und netter Mensch.”
Das alles ficht Tom Morello – wie immer glänzend gelaunt und äußerst freundlich – jedoch nicht im Geringsten an: “Zunächst einmal ist es natürlich jedem selbst überlassen ob er das, was wir machen, mag oder eben nicht. Wenn du ein Fan von einer unserer alten Bands bist, können wir ohnehin nur zweite Wahl sein, da du ja am Liebsten etwas Neues von Rage oder Soundgarden hören würdest. Das Einzige, was wir tun konnten, ist Musik zu machen, die uns selber gefällt. Und offensichtlich hat es ja außer uns auch noch vier Millionen anderen Leuten gefallen – so falsch können wir also nicht gelegen haben.” Wer Erfolg hat, hat Recht – schon klar. Auch wenn das Bestreben der vier, “Audioslave als ein eigenständiges Ding jenseits unserer vorherigen Bands zu etablieren”, ein ehrenhaftes ist, stellt sich aber die Frage, ob die Käufer auch dann so beherzt zugegriffen hätten, wenn die Protagonisten des Objekts der Begierde zufällig nicht Morello, Cornell, Wilk und Commerford geheißen hätten.
Grundsätzlich gibt es wohl mindestens zwei Lesarten: Natürlich rochen der strunzdämliche Macho-Rock-Aufschlag samt tonnenweise Pyrotechnik im Video zu ‘Cochise’ oder auch die erwähnten Strähnchen gefährlich nach öffentlich zelebrierter Midlife-Crisis. Rage Against The Machine und Soundgarden waren nicht zuletzt deshalb zwei der glaubwürdigsten Acts der Neunzigerjahre, weil sie allzu peinliche Rock-Stereotypen stets vermieden. Und kaum vereinigen sich die Mitglieder dieser beiden Bands zu einer neuen, so scheint es, wird auf einmal beinahe jedes Klischee hemmungslos ausgelebt. Man könnte aber auch vermuten (und zugestehen), dass Morello nach all der staatstragenden politischen Ernsthaftigkeit bei Rage, und Cornell im Anschluss an den allen Grunge-Akteuren mit Heimat Seattle stets Image-inhärenten tendenziell betrübten Blick auf die Dinge des Lebens, einfach mal die Sau rauslassen wollten. Musik machen aus Spaß an der Freud eben – als große, endlose Jungs-Sause. Ohne Probleme zwischenmenschlicher oder sonstiger Natur.
“Wir sind mit sehr viel Hingabe, Spaß und Leidenschaft an dieses Album herangegangen”, bestätigt Morello, der sein politisches Engagement heute auf die Axis Of Justice-Organisation mit Serj Tankian von System Of A Down beschränkt. “Das ist für uns alle die erste Platte, die wir jemals gemacht haben, bei der wirklich nur die Musik im Vordergrund stand. Ich meine, wir alle haben natürlich schon gute Alben gemacht, aber noch nie eines, bei dem wir uns so auf die eigentliche Arbeit an den Songs konzentrieren konnten. Normalerweise gibt es im Verlauf einer Produktion immer irgendwelche Dramen, persönliche Auseinandersetzungen sowie Probleme mit Management oder Plattenfirma. Nichts von alledem hat uns jetzt behindert.” Und das ist nun die Crux an Audioslave. Spaß ist ja eigentlich ‘ne feine Sache – nur ausgerechnet von Morello und Cornell will man natürlich mehr. Es sollte doch schon Tiefgang, Bedeutung haben – bitte schön!
Dabei kann man mit ‘Out Of Exile’, dem jetzt fertig gestellten Zweitwerk, durchaus seinen Spaß haben – wenn man sich mal ein bisschen, nun ja, locker macht. Das Album fängt genau so an, wie das erste aufgehört hat. Mit der formelhaft anmutenden, bereits bekannten Rage-Against-The-Machine-trifft-Soundgarden-Variante, die im Opener ‘Your Time Has Come’ dank schönem Refrain noch rockt aber bereits danach bei ‘Out Of Exile’ nur noch langweilt. Vielleicht sollte mal jemand den Rage-Jungs sagen, dass es keiner Beweisführung mehr bedarf, dass sie ihre Instrumente spielen können. Es gibt jedoch, grob gesagt, insgesamt drei musikalische Richtungen auf ‘Out Of Exile’. Neben der erwähnten hätten wir da noch das etwas spätpupertär anmutende gemeinsame Ausleben von Siebziger Hardrock-Fantasien (bei Songs wie ‘The Worm’ ist bei Cornell mitunter eine bedenklich stimmende David Coverdalisierung zu beobachten, von der man hofft, dass sie nicht weiter um sich greift). Hier wird vielleicht etwas zu offensichtlich, dass in Morello laut eigenem Bekunden “immer noch dieses auf dem Tennisschläger Luftgitarre spielende Hard-Rock-Kid steckt”.
Schließlich und endlich ist da aber auch die große, geglückte, teilweise gar erhabene Symbiose. Es sind Songs wie die Single ‘Be Yourself’, denen Audioslave ihre Existenzberechtigung verdanken und die den Weg weg von der Allstar-Truppe zur eigenständigen und interessanten Band weisen. Songs, in denen die Truppe sich über ihr manchmal sprödes Muckertum erhebt, und in denen das an anderer Stelle oft nervtötende, weil zum reinen Selbstzweck eingesetzte Gezirpe von Morellos Gitarre auf einmal Sinn macht. Man muss aber auch sagen, dass dies immer dann klappt, wenn Cornell die Federführung übernimmt. ‘The Curse’ hätte auch auf dessen grandiosem und viel zu wenig beachteten Solo-Album sein können, und ‘Dandelion’ zeigt endgültig, dass in Chris’ Stimme Audioslaves Hauptkapital liegt.
So ist man unterm Strich dann doch geneigt Morello zu glauben, wenn er die “einzigartige Energie während der Aufnahmen mit Rick Rubin” beschwört. Und verkündet, dass “alle Songs auf dieser Platte mit uns vieren gemeinsam in einem Raum entstanden sind – sehr demokratisch. Es war dieselbe Aufbruchsstimmung, dieselbe Aufregung im Raum, wie bei meiner ersten Garagencombo. Damals wie heute waren da ein paar Jungs, die Musik lieben und zusammen etwas auf die Beine stellen wollen”. Und auch wenn ihnen das natürlich wieder nicht jeder abnehmen wird, bleibt die Entwicklung von Audioslave spannend. Zumal sie bei den anstehenden Konzerten “erstmals auch Songs von Rage und Soundgarden spielen werden”. Und zumindest das ist doch den Kauf einer (freilich überteuerten) Eintrittskarte wert. Ich meine, Chris Cornell, dem man doch eigentlich “nicht beibringen wollte, über die Zapatistas zu rappen” schreit: “Fuck you, I wont do what you tell me!?” Noch Fragen? Gottlob sind wenigstens die blonden Strähnchen rausgewachsen!
Text: Torsten Groß
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