Ausgerechnet aus dem beschaulichen Freiburg kommt eine Band, die zu polarisieren weiß. Zumindest scheiden sich an der Band Tele die Geister des guten Geschmacks: Die einen halten sie für die Hoffnungsträger des deutschsprachigen Pop, andere wiederum für eine fiese Reinkarnation der Münchner Freiheit.
Die sechs Jungs von Tele wundern sich selbst über diese Diskussion – wie Sänger Francesco Wilking gleich zu Beginn unseres Interviews zu Protokoll gibt: “Mich haben diese Vergleiche immer sehr verdutzt! All diese Bands, mit denen wir da in einen Topf geschmissen wurden, Purple Schulz oder so, sind sehr alt und wahnsinnig lange her.”
Alles andere als verjährt ist der Erfolg, den die Band mit ihrem zweitem Album ‘Wovon Sollen Wir Leben’ im Jahre 2004 feiern konnte. Vom cleveren Indiepop war die Rede oder auch von Texten, die direkt aus dem Leben gegriffen sind. “Das hat uns gefreut, trotzdem haben wir sehr polarisiert. (überlegt) Vielleicht lag dies daran, dass sich die Kritiker unsere Songs nicht so konkret angehört haben?! Ich fand es zumindest immer scheiße, wenn da Vergleiche mit Bands laut wurden, die wir selbst nicht mochten”, erklärt Schlagzeuger Stefan Wittich und Francesco ergänzt: “Das sind wahrscheinlich einfach Mechanismen um die eine Band nicht umhinkommt. Marke: Klingt wie Blumfeld und fertig.“
Schnee von Gestern, denn inzwischen können wir das neue, dritte Tele-Album ‚Wir Brauchen Nichts‘ in Empfang nehmen. Allen Unkenrufen zum Trotz setzt die inzwischen in Berlin beheimatete Band dort an, wo sie vor drei Jahren aufhörte: Konsequent poppig, niemals angepasst, immer den eigenen Weg suchend.
Euch wurde auch oft vorgeworfen, dass Francescos Texte einem gewissen Biedermeierdenken Tribut zollen. Von einem Rückzug ins Private war da die Rede!
Francesco: Meine Texte sind eben sehr verinnerlicht. Wenn uns das jemand vorwirft, kann er dies gerne tun. Ich finde das aber recht voreilig beurteilt. Zumindest verstehe ich nicht so ganz, was daran so wahnsinnig falsch sein soll?! Schließlich befasst man sich doch erst einmal mit sich selbst, wenn man Texte schreibt! Anders gesagt: Ich kann nicht beurteilen, ob ein Text, bei welchem in der ersten Zeile ‚Ungerechtigkeit’, in der zweiten ‚Menschlichkeit’ steht, automatisch besser ist, als wenn ein Song mit ‚Ich und Du’ beginnt.
Wie seid ihr anhand solcher Erfahrungen an die Arbeit für euer drittes Album ‘Wir Brauchen Nichts’ gegangen? Gab es gravierende Unterscheide?
Francesco: Musikalisch gibt es einen großen Rahmen ‘Popmusik’, in dem Tele stattfinden. Der schränkt uns aber nicht ein. (überlegt) Ich empfinde das neue Material selbst ganz anders als die alten Sachen. Nicht nur weil wir mit Jörg (Nachname: Holdinghausen, fester Bassist seit 2005) ein neues Mitglied haben, sondern weil wir eine sehr demokratische Band sind. Das ist auch ein Grund, weswegen es mit der neuen Platte so lange gedauert hat.
Wie verhält es sich mit dem Titel des neuen Albums – darf man ‘Wir Brauchen Nichts’ als Antwort auf ‘Wovon Sollen Wir Leben’ verstehen?
Francesco: Auf jeden Fall, man darf alles! Es ist aber nicht im Sinne des Erfinders. Manchmal entstehen halt so Abläufe, welche dem Verfasser erst im Nachhinein bewusst werden.
Stefan: ‘Wovon Sollen Wir Leben’ entstand ja auch zu einer Zeit, als alles wirtschaftlich total Bergab ging. Das war damals natürlich das gefundene Fressen für viele Magazine, obwohl es überhaupt nichts mit finanziellen Dingen zu hatte. Was ich damit sagen will – du kannst dir sonst was denken, aber es liegen immer noch hunderte von Ebenen dazwischen.
Analogien gibt es trotzdem: Ähnlich wie beim Vorgänger ist auch auf ‘Wir Brauchen Nichts’ der Titeltrack einer der stärksten Songs. Die restlichen Lieder müssen sich dahinter allerdings nicht verstecken: Eingängig-fließende Gitarrenparts begleitet von einem treibenden, manchmal kantigen Schlagzeug und obendrein Texte, welche weit mehr als nur eskapistische Inhalte haben. Wie geschaffen, um auch die schärfsten Kritiker endlich von den Qualitäten dieser feinen Combo zu überzeugen!
Text: Marcus Willfroth
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