Die ersten dreissig Sekunden ihres ersten Videos zeigen alles, was man über The Dead 60’s wissen muss: Eine Sirene heult auf, die Kamera fängt eine in blutrotes Licht getauchte Hochhaussiedlung, Graffiti und Beton ein. So könnte auch verschollenes Clash-Bildmaterial von 1977 aussehen. Und das ist durchaus gewollt.

The Dead 60’s sind eine Band aus Liverpool, die ganz anders klingt als alles, was die Stadt je zuvor hervorgebracht hat. Die erste Single “You’re Not The Law” hat mit klassischem Songwriting kaum etwas zu tun, dafür viel mehr mit abgedrehter Punk-Energie und schweren Reggae- und Dub-Grooves. “Wir betrachten uns als Gesellschafts-Kommentatoren”, sagt Bassist Charlie Turner. “Unsere Songtitel sollen auf jede Wand im Land gesprüht werden. ‘You’re Not The Law’, ‘Too Much TV’, ‘Riot Radio’ – das würde doch grossartig aussehen. Es geht uns um das Kreieren von Slogans, nicht um herkömmliches Songwriting. Jedenfalls nicht im konventionellen Sinn.”

Seit 2003 feilen The Dead 60’s an ihrem radikalen Dub-Sound. Das Quartett – ausser Charlie Turner sind noch Matt McManamon (Gesang/ Gitarre), Ben Gordon (Gitarre/ Orgel) und Bryan Johnson (Schlagzeug) mit dabei – nennt The Clash, King Tubby und Keyboarder Jackie Mittoo als Vorbilder und es ist ihnen wichtig, dass sie sich von Anfang an von ihrer lokalen Musikszene abgegrenzt haben. Das geht soweit, dass sie noch nicht einmal in Liverpool aufgetreten sind.

“Es geht gerade eine Menge ab in Liverpool, aber damit haben wir nichts zu tun“, sagt Charlie. “Ich weiss kaum etwas über die anderen Bands aus der Stadt. Wir waren nie Teil dieser Szene. Ich war noch nie in meinem Leben bei einem The-Bandwagon-Abend (der Clubnacht der Band The Bandits). Wir hängen lieber in der Garage herum und tüfteln an unseren Grooves.”

Die Musik der The Dead 60’s erinnert an das, was The Clash und The Specials in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern versucht haben: Einen Soundtrack für das typische Grau in Grau des britischen Stadtleben zu schaffen – unter unüberhörbarer Hinzunahme jamaikanischer Einflüsse. Natürlich haben The Dead 60’s trotzdem einen ganz eigenen Stil.

“Klar hören wir die Specials”, sagt Charlie. “Aber wir machen uns da gar nicht so viele Gedanken. Wir nehmen auch gerne einen HipHop-Groove und setzen einen Skank obendrauf. Wir kopieren nicht irgendetwas, was es vor zwanzig Jahren schon einmal gab.”

“Wir machen ziemlich viel verschiedenes Zeug. Horrorcore-Ska, Funk Punk – aber nicht diesen Art-School-Punk, der gerade in Mode ist. Mehr so in die Richtung Ornette Coleman in seiner Prime-Time-Phase in den Achtzigern.”
Trotz ihrer sehr speziellen musikalischen Ausrichtung haben sich The Dead 60’s schon eine respektable Fangemeinde erspielt.

“Ich glaube, es gibt nicht viele Kids, die wirklich Dub hören”, sagt Charlie. “Aber trotzdem können die meisten damit etwas anfangen. Was wir machen, hat ja auch so eine Dance-Komponente, da finden die Leute natürlich immer schnell einen Bezug dazu. Wir klingen sehr nach Nordengland, das mögen viele. Entspannte, gute, unprätentiöse Musik.”

Wie viele Musikfans dem Dead-60’s-Sound bereits verfallen sind, zeigen u.a. die bisherigen UK-Chart-Platzierungen des Quartetts: Im vergangenen Jahr erreichte die Single “Riot Radio” erstmals die Top 30 der britischen Charts, es folgten Tourneen mit den Zutons und den Bees durch England. Kürzlich peakte ihre Single “Last Resort” auf Platz 24 der Singles Hitliste, demnächst erscheint mit “Loaded Gun” bereits das nächste Geschoss. Ihr Debütalbum “The Dead 60’s”, das mit Hilfe von Central Nervous System entstand, erscheint in England bereits Ende Juni beim Coral- und Zutons-Label “Deltasonic”. Die Band ist fest entschlossen, alles zu geben um ihre provokativen Botschaften zu verbreiten. “Wir machen manches anders”, sagt Charlie, “aber ich schätze, das ist auch das, was die Leute jetzt brauchen. Etwas Neues und Frisches.”

sony 2005