Für “In And Out Of Control” haben sich The Raveonettes einen Hitproduzenten geangelt. Zahm und beliebig klingen sie deswegen noch lange nicht. Eher im Gegenteil.

Auf ihrem vierten Album “In And Out Of Control” servieren die zwei stylischen Dänen Sune Rose Wagner und Sharin Foo ihren Retro-Garagensound so verführerisch wie selten zuvor. Wir sprachen mit der weiblichen Hälfte der Raveonettes über ihre Zusammenarbeit mit einem Hitproduzenten und das Leben im amerikanischen Exil.

motor.de: Wie ist “In And Out Of Control” entstanden?

Sharin Foo: Im Mai diesen Jahres trafen Sune und ich uns in New York und sprachen über unsere Vorstellungen für das neue Album. Unter anderem wollten wir eine dritte Person dabei haben, jemand, der uns herausfordert, dekonstruiert und auch am Songwriting beteiligt ist. Wir entschieden uns für den dänischen Produzenten Thomas Troelson (u.a. No Angels, Sarah Connor, Anm.), der in vielerlei Hinsicht das Gegenteil von uns ist. Er ist extrem poppig und hat eine ganz andere Herangehensweise als wir. Auch war der Plan, diesmal im Studio ganz vorne anzufangen und den Sound des Albums erst vor Ort zu entwickeln. Normalerweise nehmen wir viele Stücke bereits im Vorfeld auf. Die ersten Wochen im Studio in Kopenhagen waren dann ziemlich schwierig und angsteinflößend.

motor.de: Die Zusammenarbeit mit Eurem Produzenten soll nicht ganz einfach gewesen sein…

Sharin Foo: Die Anfangszeit war frustrierend, weil Thomas immer nur drei oder vier Stunden am Stück gearbeitet hat, während wir 14-Stunden-Tage gewohnt sind. Nach ungefähr drei Wochen begannen Sune und ich, viel Zeit alleine im Studio zu verbringen. Wir mussten den Prozess selber in die Hand nehmen und dann Thomas’ Rat einholen statt umgekehrt. Ab dem Punkt begann das Album Form anzunehmen, und Thomas erwies sich als eine erstaunliche Energie- und Inspirationsquelle. Er hat unser Songwriting wirklich vorangetrieben und uns dazu gebracht, Dinge anders zu tun als sonst, z.B. weniger auf Lärm zu setzen. Das Album ist letztlich sehr vielfältig geworden, gleichzeitig kohärent und anders, als alles, was wir vorher gemacht haben. Trotzdem klingt es nach den Raveonettes.

motor.de: Stimmt es, dass “In And Out…” ein Pop-Album werden sollte?

Sharin Foo: Ich denke, dass jedes unserer Alben eine Reaktion auf das vorherige ist. Wir fanden, dass der Vorgänger “Lust Lust Lust” ziemlich düster, introvertiert und persönlich ausgefallen ist und wollten diesmal etwas machen, das optimistischer klingt. Wir wollten Refrains auf diesem Album haben. Inhaltlich steckt aber immer noch viel Düsternis drin.

motor.de: Eure Texte sind häufig sehr direkt, muten zum Teil richtiggehend naiv an. Auch die düsteren Stücke bekommen dadurch zuweilen einen komischen oder ironischen Touch.

Sharin Foo: Ich glaube, das ist eine typisch dänische Eigenschaft von uns. Wir mögen Einseitigkeit nicht. Wenn etwas zu ernsthaft wird, denken wir ‚Nein, da muss mehr Spaß rein’. Ist etwas zu komisch, wollen wir ihm etwas Unschuldiges hinzufügen. Das ist unsere natürliche Art, uns auszudrücken. Wir mögen diese Dualität, diese Spannung, auch zwischen Sound und Inhalt. Ein Stück wie “Boys Who Rape (Should Be Destroyed)” klingt nach Doo-Wop und macht Spaß. Gleichzeitig ist es ein Anti-Vergewaltigungs-Song, behandelt also ein ernstes Thema.

motor.de: Eure erste E.P. “Whip It On” aus dem Jahr 2002 löste damals einen ziemlichen Hype aus, der ganz große Durchbruch kam dann aber doch nicht. Seid Ihr zufrieden damit, wie die Dinge für Euch laufen?

Sharin Foo: Wir sind sehr dankbar und lieben, was wir tun und dass wir damit unseren Lebensunterhalt verdienen. Wir führen kein glamouröses Leben, gehen aber auch keine Kompromisse ein. Manchmal denkt man schon ‚Warum werden wir nicht häufiger im Radio gespielt? Warum kennen nicht mehr Leute unsere Musik?’ Aber letztlich haben wir ein schönes Leben, Spaß mit unserer Musik und machen einen guten Job. Und das ist das Wichtigste.

The Raveonettes – The Last Dance

motor.de: Du lebst seit Jahren in Los Angeles, hast dort Familie, Sune wohnt in New York – was gefällt Dir an Deiner neuen Heimat?

Sharin Foo: Ich liebe die Größe der USA. Und Kalifornien hat eine unglaubliche Natur. Es gibt Berge und den Pazifischen Ozean, Wüste und Nationalparks. Es ist wunderschön. Wenn man aus einem kleinen, flachen Land wie Dänemark kommt, ist es inspirierend, an einem solchen Ort zu leben. Gleichzeitig vermisse ich Europa, meine Freunde und meine Familie. Aber ich denke, es ist gut, fern der Heimat zu sein, weil man sie dadurch mehr zu schätzen lernt und sich von beiden Kulturen das Beste herauspicken kann.
motor.de: Ist eine Stadt wie Los Angeles nicht recht gewöhnungsbedürftig für einen Europäer? Robbie Williams hat L.A. in einem Interview mal als “seelenlos” bezeichnet…

motor.de: Ist eine Stadt wie Los Angeles nicht recht gewöhnungsbedürftig für einen Europäer? Robbie Williams hat L.A. in einem Interview mal als “seelenlos” bezeichnet…

Sharin Foo: L.A. ist schwierig, und ich würde nicht in der Stadt leben, wenn mein Ehemann nicht dort wäre. Es braucht Zeit, um unter die Oberfläche zu schauen. Wenn man aber die Stadt richtig kennen lernt, findet man auch dort Seele. Es kommt drauf an, mit welchen Leuten man sich umgibt. Das Gute an L.A. ist, dass man dort viel Platz und Ruhe hat. Man kann sich wirklich auf die Arbeit konzentrieren. Anders als in New York oder London, wo rund um die Uhr etwas los ist.

Nina Töllner